Als Kriminalpsychologin hatte es die Mexikanerin Mónica Ramírez Cano (45) mit den ganz schweren Jungs zu tun: Drogenbossen, Auftragskillern, und so auch mit dem berühmten Sinaloa-Kartellchef El Chapo (64). Joaquín Guzmán, wie El Chapo richtig heisst, sitzt inzwischen in den USA im Gefängnis. Er wurde zu «lebenslanger Haft plus 30 Jahre» verurteilt.
In einem Interview mit dem «Spiegel »packt die Profilerin über ihre Begegnungen mit den Schwerverbrechern aus, den sie zwischen 2013 und 2019 getroffen hatte. Sie habe dabei auch die menschliche Seite der Gangster kennengelernt.
So viele, wie man finanzieren kann
So sei El Chapo, mit dem sie ein Jahr lang zusammengearbeitet habe, sehr höflich und gut erzogen. «Er weiss, wie man Frauen behandelt, deshalb gibt es unzählige Frauen in seinem Leben», sagt Mónica Ramírez Cano im Interview.
Er habe ihr gesagt: «Ich bin süchtig nach Frauen.» El Chapo ist offiziell mit María Alejandrina Salazar Hernández (63) verheiratet, habe aber viele Affären. Er sage, dass er seinen Frauen helfe, weil sie sich um seine Kinder gekümmert hätten, während er auf der Flucht war. Sein Motto sei, dass man so viele Frauen haben könne, wie man will, solange man sie finanzieren könne.
Die klare Nummer eins
Die Nummer eins unter den Frauen sei aber seine Mutter Consuelo Loera (93). Es habe ihn sehr getroffen, als er beschuldigt wurde, den Mord am Erzbischof von Guadalajara in Auftrag gegeben zu haben. Mónica Ramírez Cano: «Er hatte wahnsinnige Angst, dass seine Mutter denken könnte, er sei schuldig am Tod eines Geistlichen.»
Mónica Ramírez Cano sagt, dass die Fernsehserien über El Chapo recht stark die Realität wiedergäben. «Sie beschreiben sehr treffend seine Beziehungen zur Regierung, wie die Behörden in den Drogenhandel verquickt sind, wie man sich gegenseitig hilft.»
Die Kriminalpsychologin hält den Drogenbaron für «durchschnittlich intelligent, aber ausgefuchst» und mit grossem strategischen Gespür.
Opfer lebendig zersägen
Über die Drogenkartelle in Mexiko sagt Mónica Ramírez Cano generell: «Die Gewalt, die wir zurzeit in Mexiko erleben, ist psychopathisch. Mehrere Kartelle kämpfen um die Herrschaft über Territorien, dabei gehen sie mit einer Brutalität vor, die keine Grenzen hat.»
Sie würden sich nicht darum kümmern, wen sie umbrächten. «Sie schiessen, um zu töten», sagt Mónica Ramírez Cano im «Spiegel». Das Kartell der Zetas habe ehemalige Elitesoldaten unter Vertrag gehabt, die dafür ausgebildet waren, ihre Opfer zu enthaupten.
«Die Killer zersägen ihre Opfer bei lebendigem Leib und filmen das mit dem Handy, um ihre Rivalen abzuschrecken.» Normalerweise stünden die Täter unter Drogen, weil sie den Rhythmus des Mordens sonst nicht aushielten.
Mónica Ramírez Cano hat mit Jungen gearbeitet, die mit nur neun Jahren zu Auftragskillern wurden. Sie fordert mehr Entschlossenheit im Vorgehen gegen die Kartelle. Mónica Ramírez Cano: «Vor allem muss die Straflosigkeit ein Ende haben. Sie ist der Krebs, der unsere Gesellschaft zerfrisst, ebenso wie die Korruption.» (gf)