Die Freiheit währte nur kurz. Zwei Wochen nach vorsichtigen Lockerungen zieht Deutschland schon wieder die Corona-Notbremse. Weil die dritte Welle unablässig heranrollt, macht das Land die Schotten wieder dicht.
Mehr als zwölf Stunden – mit Unterbrechungen – verhandelten Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) und die Ministerpräsidenten der Bundesländer am Montag. Erst um 2.30 Uhr nachts verkündeten sie das Ergebnis – und das ist hart.
Mindestens bis 18. April gilt: Wo die 7-Tages-Inzidenz bei über 100 liegt, wird das öffentliche Leben wieder heruntergefahren – selbst Coiffeursalons sind wieder zu, treffen darf man nur eine Person aus einem anderen Haushalt. Und Ostern ist gestrichen. Vom 1. April (Gründonnerstag) bis Ostermontag sind Ansammlungen im öffentlichen Raum verboten, und die Aussengastronomie ist geschlossen. Das Leben soll zum Erliegen kommen.
Seit fast einem halben Jahr ist Deutschland im Lockdown
Die Stimmung im Land ist mies, die Reaktionen sind harsch. Mit dem «Lockdown Light» im Herbst leben die Deutschen nun seit rund sechs Monaten mit massiven Einschränkungen. Zwar waren die Spitäler dafür nie kurz vor dem Kollaps, doch als Langzeitstrategie überzeugt das nicht.
Der Ministerpräsidenten-Kompromiss beinhaltet zudem Massnahmen wie aus Absurdistan. Wer aus einem deutschen Hotspot kommt, darf Ostern nicht mit Oma und Opa feiern – dafür aber auf Mallorca. Zwar mit Testpflicht, aber ohne Quarantäne-Zwang. Und dass die Supermarkttüren am Gründonnerstag geschlossen bleiben, könnte den Lebensmitteleinkauf am Mittwoch und Karsamstag zum Super-Spreader-Event machen.
«Der Weil-es-die-Bundesregierung-vergeigt-hat-Lockdown», ätzte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch (62) über die neuen Corona-Massnahmen. Auch aus der FDP, die neben der AfD als einzige der grossen Parteien keinen Ministerpräsidenten stellt, gab es heftige Kritik. Als «zu scharf» und «zu wenig innovativ» kritisierte Parteichef Christian Lindner (42) das Ergebnis des Verhandlungsmarathons.
Die Kanzlerin konnte sich wieder nicht durchsetzen
Hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) alleine entscheiden dürfen, wären die Corona-Massnahmen härter ausgefallen. Selbst über Ausgangssperren dachte die deutsche Kanzlerin und Physikerin nach, die die Corona-Dynamik wohl besser versteht als die meisten ihrer Amtskollegen.
Doch die Kanzlerin konnte sich nicht durchsetzen. «Merkel unzufrieden mit den Ministerpräsidenten», sickerte als Wasserstandsmeldung aus den Beratungen durch. Bereits im vergangenen Herbst hatte die Kanzlerin ihren Unmut ausgedrückt. «Dann sitzen wir in zwei Wochen eben wieder hier», soll sie den Regierungschefs damals zu ihrem mauen Kompromiss gesagt haben. Am 12. April wird neu verhandelt. Ein grosser Wurf oder Lichtblick ist auch dann nicht zu erwarten.
Zu kleiner Impffortschritt
Nach der kurzzeitigen Aussetzung von Astrazeneca hinkt Deutschland beim Impffortschritt noch weiter hinterher als ohnehin schon. Erst 13 Dosen wurden pro 100 Einwohner verteilt – erst vier Prozent sind vollständig geimpft. In der Schweiz ist es zwar nur minimal besser, doch für Deutschland und die Signalwirkung in Europa ist das Versagen verheerend.
Das Vertrauen in Angela Merkel, die das Land souverän durch die erste und zumindest ordentlich durch die zweite Welle geführt hat, sinkt. Laut dem «Spiegel»-Regierungsmonitor sind 50 Prozent der Bevölkerung mit der Kanzlerin «unzufrieden» oder sogar «sehr unzufrieden».