AfD-Schlappe, Merkel-Nachfolge und Grünen-Hype
5 Lehren aus der ersten Runde im deutschen Superwahljahr

Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben gewählt. Was lässt sich aus den Ergebnissen lernen?
Publiziert: 15.03.2021 um 12:18 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2021 um 16:58 Uhr
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AfD-Chefin Alice Weidel: Ihre Partei stürzte in beiden Bundesländern auf unter 10 Prozent ab.
Foto: imago images/Christian Spicker
Fabienne Kinzelmann

Deutschland ist ins Superwahljahr gestartet. Neben dem Bundestag am 26. September werden in diesem Jahr die Parlamente in sechs Bundesländern gewählt, in zwei weiteren finden Kommunalwahlen statt.

Am Sonntag machten Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den Auftakt. Für die CDU endete der Wahltag mit einem Debakel; freuen dürfen sich die Grünen – und zumindest teilweise auch die Sozialdemokraten. BLICK zeigt, was die Ergebnisse bedeuten.

1. Die «Ampel» ist der neue Favorit

Mit der Schwäche der Volksparteien CDU und SPD und dem Aufstieg jüngerer Parteien werden immer mehr Koalitionsmodelle möglich. In Rheinland-Pfalz gibt es unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD, 60) wohl eine Neuauflage der «Ampelkoalition».

Auch in Baden-Württemberg ist die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nun eine Option – allerdings mit den Grünen unter Winfried Kretschmann (72) als stärkste Kraft. Bewährt sich das Modell im wichtigen Bundesland, könnte es zum Vorbild für die Bundespolitik werden.

Die Zusammenarbeit von sozialdemokratischen, grünen und liberalen Parteien ist deutschlandweit nach wie vor eine Seltenheit. Vor allem die FDP hat in der Vergangenheit häufig auf die unterschiedlichen Parteiprogramme verwiesen.

2. Die Grünen sind die Krisengewinner

Zehn Jahre, nachdem die Fukushima-Katastrophe dem ursprünglich tiefschwarzen Baden-Württemberg den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann – bis heute auch der erste und einzige grüne Ministerpräsident bundesweit – bescherte, haben die Grünen gezeigt: Sie können Volkspartei.

Ganze 32,6 Prozent sahnten die Grünen in Baden-Württemberg ab. Viel mehr aber noch: Fast alle der Wahlkreise in Baden-Württemberg färbten sich auf der politischen Landkarte grün. In mehr als 55 der 70 Wahlkreise gewann der grüne Direktkandidat für den Landtag.

In Rheinland-Pfalz legten die Grünen (9,3 Prozent) neben den Freien Wählern (5,4 Prozent) als einzige Partei zu. Mit vier Prozentpunkten im Vergleich zu 2016 steigerten sie sich zudem am meisten.

3. Corona entscheidet keine Wahlen

Wurde die CDU für das Corona-Chaos abgestraft? Das spielt beim Debakel der Christdemokraten wohl eine vergleichsweise kleine Rolle.

In beiden Bundesländern wurden die beliebten Amtsinhaber wiedergewählt. Die Wähler setzen auf Stabilität, wollen in der Krise keine grosse politische Veränderung. Als Ministerpräsidenten tragen sie den Kurs aus Berlin massgeblich mit.

Sowohl Winfried Kretschmann als auch Malu Dreyer waren in der Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen und Monaten sehr präsent und setzten sich gegen vorschnelle Lockerungen ein. Wie sehr Persönlichkeit zählt, zeigt sich auch daran, dass Malu Dreyer mit der SPD – deren Trend bundesweit seit Jahren eigentlich nach unten zeigt – mit 35,7 Prozent ein sehr gutes Ergebnis einfahren konnte und im Vergleich zu 2016 nur 0,5 Prozentpunkte verlor.

4. Niemand hat mehr verloren als die AfD

Relativ gesehen hat die AfD die grösste Schlappe erlebt. In beiden Landtagswahlen büsste sie je ein Drittel der Stimmen ein.

In Baden-Württemberg stürzten die Rechtspopulisten von 15,1 auf 9,7 Prozent ab, in Rheinland-Pfalz von 12,6 auf 8,3 Prozent. Ähnliches verheissen die aktuellen Umfragen für die Bundestagswahl im September.

Das zeigt: Der AfD fehlt nach der Flüchtlingskrise (die ihr in beiden Bundesländern 2016 den entsprechenden Schwung verschaffte) ein Thema, das sie besetzen kann. Mit der Corona-Krise gelang ihr das nicht.

5. Die Merkel-Nachfolge ist jetzt noch schwieriger

Im April oder Mai wollen CDU und CSU entscheiden, wer ihr gemeinsamer Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl im September wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel (65) tritt nicht mehr an. Und die «K-Frage» ist knifflig.

Neu-Parteichef Armin Laschet (60) hätte traditionell den Vorzug. Doch während der nordrhein-westfälische Ministerpräsident grossen Rückhalt im Partei-Establishment hat, sind seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung niedrig.

Anders sieht das bei Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder (54) aus. Ihm hat sein staatsmännisches Auftreten in der Corona-Krise genutzt. In Umfragen unter deutschen Wählern liegt er punkto Kompetenz weit vor Laschet.

Zu dieser Rivalität kommt nun das CDU-Debakel in Baden-Württemberg (historisch niedrige 24,1 Prozent) und in Rheinland-Pfalz (minus 4,1 Prozent).


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