Kann Neutralität die Ukraine retten?
Das ist der Stand der Friedens-Verhandlungen

Die Gespräche zwischen Kiew und Moskau über eine Beendigung des Krieges werden konkreter. Von ukrainischer Seite ist nun zu erfahren, über welche Punkte angeblich gesprochen wird.
Publiziert: 18.03.2022 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2022 um 06:44 Uhr
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Die russische Invasion dauert nunmehr seit drei Wochen an.
Foto: IMAGO/SNA
Georg Nopper

Es ist ein Papier der Hoffnung. Die «Financial Times» berichtet über konkrete Punkte in einem Friedensplan, der von den Kriegsparteien ausgearbeitet wird. Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gelten als Vorarbeiten für ein Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin (69) und Wolodimir Selenski (44).

Laut ukrainischen Angaben beinhaltet der Plan 15 Punkte. Diese werden jedoch nicht vollständig genannt. Die ukrainische Seite betont, es handle sich in erster Linie um den russischen Forderungskatalog. Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (54) seien teils bereits bekannte Erklärungen aufgeführt. Diese seien aber falsch zusammengestellt und «nicht korrekt». Blick liess die Erfolgschancen des möglichen Friedensplans in den wichtigsten Punkten von Russland-Experte Erich Gysling (85) einschätzen.

Neutralität

Ein zentraler Punkt, in dem sich beide Seiten annähern: die Neutralität der Ukraine. «Bei der Ukraine könnte es eine Art von Neutralität werden, bei der die Ukraine erklärt, nicht der Nato beizutreten und keine fremden Militärbasen zu beherbergen», sagt Gysling. Natürlich bedinge dies, dass die Ukraine weiterhin eine Armee haben dürfe.

Entmilitarisierung

«Eine vollständige Entmilitarisierung wird Selenski niemals gutheissen», sagt Gysling. «Das Problem bei einer entmilitarisierten Ukraine wäre, dass andere die Sicherheit des Landes garantieren müssten.» Russland komme für die Ukraine als Schutzmacht natürlich nicht infrage. «Das können nur Nato-Staaten tun.» Es sei jedoch unvorstellbar, dass Russland das akzeptieren würde.

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Rückzug der russischen Armee

«Putin wird zurückstecken und seinen Fehler eingestehen müssen», erklärt der Russland-Experte. Die Frage sei jedoch, zu welchem Preis. «Leider haben wir es bei Putin offenbar nicht mit einer rational agierenden Person zu tun. Deshalb sind die Chancen eines russischen Rückzugs schwierig einzuschätzen.» Fest steht laut Gysling: Eine dauerhafte Präsenz der russischen Armee ist für Selenski nicht hinnehmbar.

Rechte der Russisch sprechenden Bevölkerung

Laut Gysling gibt es eine gewisse Diskriminierung der russischen Sprache in der Ukraine. «Man darf nicht vergessen: Viele Menschen in der Ukraine sprechen Russisch, vor allem in den Städten. Russisch war bis zur Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 eine offizielle Amtssprache.» Dann wurde Ukrainisch zur alleinigen Amtssprache erklärt. «Ich halte es für möglich, dass Selenski diesbezüglich Zugeständnisse an die russische Seite macht.»

Status von Krim und Donbass

Territoriale Streitigkeiten werden vorerst ausgeklammert. Für einen Frieden ist eine entsprechende Vereinbarung jedoch unumgänglich. Gysling: «Krim und Donbass-Region muss man separat beurteilen.» Putin stimme letztendlich nicht zu, wenn die Krim nicht offiziell zu russischem Staatsgebiet erklärt werde. «Auf der anderen Seite hat die ukrainische Regierung in der Donbass-Region gewaltige Versäumnisse zu verschulden.» So sei ein im Minsk-II-Abkommen versprochenes Referendum über die Autonomie der Region nie durchgeführt worden.

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