Der russische Präsident Wladimir Putin (69) schäumt vor Wut. Er erklärt am Mittwoch in einer im TV übertragenen Ansprache an die Minister der Regierung, Russland werde seine Ziele in der Ukraine erreichen. Er behauptet, der Westen plane, eine globale Vorherrschaft zu erlangen – und Russland «zerstückeln» zu wollen.
Von einer Pannenserie seiner Truppen in der Ukraine will Putin nichts wissen. In der Ansprache sagt er, dass die «Sonderoperation zur Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine» sich «erfolgreich entwickelt». Aktuell werden Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland geführt. Es herrschte zuletzt vorsichtiger Optimismus, den Krieg zu beenden. Zumindest auf ukrainischer Seite.
«Derzeitiges Format ist das einzig mögliche»
Die Militäroperationen «werden bis zum Ende durchgeführt», sagt Putin. «Das derzeitige Format ist das einzig mögliche.» Das klingt nicht nach Friedensverhandlung – sondern nach Fortführung des Krieges.
Putin erklärt in der Rede weiter, dass das, was er als Spezialoperation in der Ukraine verkauft, «nach Plan» verlaufe. Als weiteren Grund für den Einmarsch nennt er angebliche Experimente in der Ukraine, um Massenvernichtungswaffen herzustellen. Die Ukraine führe mithilfe der USA «Experimente mit der afrikanischen Schweinepest, Cholera und dem Coronavirus durch» und versuche, biologische Waffen herzustellen.
Statt über die Toten spricht Putin über die taumelnde russische Wirtschaft. Die westlichen Sanktionen fügen Russland grossen Schaden zu, doch Putin besteht in der Rede darauf, dass Russland dem standhalten könne.
Behauptungen gegen den Westen
Die Schuld schiebt er dem Westen zu. Er kündigt an, dass Inflation und Arbeitslosigkeit steigen würden und strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft notwendig seien.
Er behauptet, der Konflikt sei lediglich ein Vorwand für den Westen gewesen, diese Sanktionen zu verhängen. So sagt er: «Der Westen macht sich nicht einmal die Mühe zu verbergen, dass sein Ziel darin besteht, die gesamte russische Wirtschaft, jeden Russen zu schädigen.» Die Russen würden im Ausland gemobbt. «Dies erinnert an die Judenpogrome im Dritten Reich.»
Prowestliche Russen «Abschaum und Verräter»
Der Westen wolle Russland «zerschlagen» und «abschaffen», «zerstückeln». Auch ruft er dazu auf, Russen zu bestrafen, die sich dem Westen zuwenden. Putin bezeichnet prowestliche Russen als «Abschaum und Verräter», die aus der Gesellschaft entfernt werden müssten.
«Ich verurteile nicht diejenigen, die eine Villa in Miami oder an der französischen Riviera haben und nicht ohne Austern, Foie gras oder die sogenannten Gender-Freiheiten leben können», sagt Putin. «Das Problem ist nicht das. Sondern, dass sich viele dieser Menschen geistig eben dort befinden und nicht hier, nicht bei unserem Volk, nicht bei Russland.»
«Putin steht mit dem Rücken zur Wand»
Russland-Experte Ulrich Schmid hat sich die Rede genau angeschaut und analysiert. «Putin nutzt dieselbe Rhetorik wie Stalin in den 1930er-Jahren», sagt er zu Blick. Der Kremlchef habe damit versucht, die Reihen hinter sich zu schliessen. Entweder man ist für oder gegen ihn.
Denn Putin wisse und spüre, dass seine Position in der Öffentlichkeit schwieriger werde. Mit zunehmenden Sanktionen durch den Westen kommen bei den Russen Zweifel auf und sie stellen Putin und seinen Krieg in Frage. Er kämpft um den Rückhalt in der Bevölkerung. «Putin steht mit dem Rücken zur Wand. Man hat gemerkt, dass er verbissen ist.»
Einen Rückzieher könne er jetzt nicht mehr machen. «Er hat noch nie einen Fehler eingestanden. Ihm bleibt eigentlich nur noch die Flucht nach vorne», so Schmid. Er müsse an seinem Narrativ weiter festhalten, keinen Krieg zu führen, sondern die Ukraine lediglich von Rechtsextremisten zu befreien.
Rede sei «Billigung von Massenunterdrückung»
Tatjana Stanowaja, Russland-Expertin und Gründerin der politischen Analysefirma R. Politik, sagt nach der Rede zur «New York Times», Putin signalisiere den Strafverfolgungsbehörden im Land, dass sie «alle Bereiche der Gesellschaft, die Sympathien für die westliche Lebensweise zeigen» ins Visier nehmen sollten.
Diese Rede war zum Teil eine informelle und indirekte Billigung von Massenunterdrückung», sagt sie. Und weiter: «Seine Rede war beängstigend – sehr beängstigend.» (euc)