Macron und Merkel machen dicht
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Zurück in den Lockdown:Macron und Merkel machen dicht

Wegen Corona
Österreich und England verkünden Lockdown

Während unser Bundesrat nur einen Slowdown verkündete, haben viele europäische Länder neue Lockdowns ausgerufen. Zuletzt in Österreich und Grossbritannien. Aber auch in Belgien gibt es demnächst massive Einschränkungen.
Publiziert: 28.10.2020 um 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2020 um 22:25 Uhr
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Kanzler Kurz schickt Österreich wieder in den Lockdown.
Foto: imago images/photonews.at
Georg Nopper und Daniel Kestenholz

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen explodiert in ganz Europa. Nicht nur in der Schweiz, auch Frankreich, Österreich, Deutschland und Grossbritannien melden täglich neue Höchststände. In vielen europäischen Ländern wurde darum erneut ein Lockdown beschlossen.

Österreich

Österreich macht ernst und geht in den zweiten Lockdown. Für vier Wochen. «Ab Dienstag, dem 3. November 0 Uhr bis Ende November wird es zu einem zweiten Lockdown in Österreich kommen», sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag in Wien. Ab Dienstag gelten landesweit Ausgangsbeschränkungen zwischen 20 und 6 Uhr. In der Zeit ist das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur aus bestimmten Gründen erlaubt. «Die meisten Ansteckungen finden bei Menschen statt, die sich kennen, die sich mögen», betonte Kurz. Die nächtliche Ausgangsbeschränkung nannte er deshalb «de facto ein Besuchsverbot».

Kultur- und Freizeiteinrichtungen müssen schliessen, mit Ausnahme von Beerdigungen finden keine Veranstaltungen mehr statt. Auch das Hotel- und Gastgewerbe schliessen, nur Takeaway und Lieferung sind erlaubt. Spitzensport findet ohne Publikum statt, Sport ist nur im Freien ohne Körperkontakt erlaubt. Handel, Schulen und auch Dienstleister wie Friseure bleiben zunächst unter Auflagen offen.

«Es ist notwendig, diesen Schritt zu setzen, um eine Überlastung der Intensivmedizin zu verhindern», sagte Kurz. Am Sonntagnachmittag muss noch der Hauptauschuss des Parlaments den Massnahmen zustimmen. Die Verordnung gilt bis zum 30. November, die Ausgangsbeschränkungen müssen alle zehn Tage parlamentarisch neu genehmigt werden.

Die Infektionszahlen steigen seit Wochen steil auf fast täglich neue Höchstwerte. Die Regierung befürchtet eine baldige Überlastung der Krankenhäuser. Am Samstag zählte Österreich 5349 neue Fälle binnen 24 Stunden auf seine fast 9 Millionen Einwohner, nachdem am Freitag der Rekordwert von 5627 Neuinfektionen an einem Tag gemeldet worden war.

Grossbritannien

Auch in Grossbritannien müssen die Leute wieder zu Hause bleiben. Am Samstag rief Premierminister Boris Johnson (56) einen neuen Lockdown aus. Ab kommenden Donnerstag sollen in England nur noch Schulen und Universitäten geöffnet bleiben, wie Johnson am Samstag erklärte. Alle anderen Orte - etwa Kultureinrichtungen, Sportzentren, nicht-lebensnotwendige Geschäfte sowie Restaurants und Pubs - müssen bis zum 2. Dezember schliessen.

«Das Virus breitet sich derzeit schneller aus, als es unsere wissenschaftlichen Berater in einem Worst-Case-Szenario angenommen haben», sagte Johnson. «Jetzt ist es Zeit zu handeln, denn es gibt keine Alternative.» Die Massnahmen seien notwendig, um Leben zu retten und den staatlichen Gesundheitsdienst NHS vor einer erneuten Überlastung zu schützen. Der Regierungschef schwor die Briten darauf ein, ihr Zuhause nur noch in dringenden Fällen zu verlassen - wie Arbeit, Sport, Einkäufe oder die Pflege Angehöriger.

Am Samstag meldete Grossbritannien knapp 22 000 Neuinfektionen. Damit durchbrach das Land die Schwelle von einer Million bestätigten Coronavirus-Fällen seit Beginn der Pandemie. In den vergangenen zwei Wochen zählte das Vereinigte Königreich nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control 451 Fälle pro 100 000 Einwohner.

Schottland, Wales und Nordirland machen ihre eigenen Regeln. Dort gelten bereits weitgehend deutlich schärfere, temporäre Corona-Massnahmen als bisher in England.

Deutschland

In Deutschland haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer vergangene Woche auf massive Beschränkungen des öffentlichen Lebens verständigt. Die neuen Massnahmen gelten ab Montag.

Sogar private Kontakte werden in Deutschland verboten. In der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch Angehörige des eigenen und eines weiteren Haushalts treffen. Maximal dürfen sich zehn Menschen versammeln. Auf private Reisen ist zu verzichten.

Knallhart greift Merkel bei Bars und Restaurants durch: Diese müssen vom 2. November an für den ganzen November schliessen. Davon ausgenommen sind nur Take-aways, Lieferservices und Kantinen.

Profisport (dazu zählen auch die Spiele der Bundesliga) soll ohne Zuschauer stattfinden. Unterhaltungs- und Freizeitveranstaltungen wie Theater oder Konzerte wollen Bund und Länder ab nächster Woche im ganzen Land weitgehend untersagen. Die Regelung betrifft auch den Amateursportbetrieb, Individualsport soll ausgenommen werden. Offen bleiben in Deutschland vorerst Schulen, Kindergärten sowie Läden.

An einer Pressekonferenz sagte Merkel: «Uns ist allen bewusst, dass Millionen von Menschen mit Sorge auf unsere Beratungen geschaut haben.» Es sei «ein schwerer Tag» gewesen. «Wenn es bei diesem Tempo der Infektionen bleibt, kommen wir binnen Wochen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Systems», sagte die Kanzlerin und sprach den Deutschen ins Gewissen: «Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung!»

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sind am Samstag deutschlandweit 19'059 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages verzeichnet worden. Ein Höchstwert!

Frankreich

Der französische Staatschef Emmanuel Macron wandte sich am Mittwochabend in einer TV-Ansprache an seine Landsleute. Der Präsident erklärte, dass ab Freitag ein neuer landesweiter Lockdown gelten soll.

Das bedeutet: Restaurants und Bars werden geschlossen, ebenso alle Einrichtungen mit Publikumsverkehr. Zudem sind öffentliche Versammlungen verboten, auch private Treffen in der Öffentlichkeit.

Im Unterschied zum Lockdown im Frühling sollen aber zahlreiche Schulen offen bleiben. Die Menschen sollen nach draussen gehen dürfen, um zu arbeiten oder für einen Arzttermin. Auch sei es erlaubt, einzukaufen oder frische Luft zu schnappen.

Die Massnahmen sind zunächst bis zum 1. Dezember befristet. «Bleiben Sie so weit wie möglich zu Hause», appellierte Macron an seine Landsleute. Denn: «Wir werden von der Beschleunigung der Epidemie überrollt.»

Italien

Bei unserem südlichen Nachbarn Italien herrschen bereits wieder lokale Lockdowns. Die Ausgangssperren gelten in Rom, Kampanien, im Piemont und in der Lombardei. Restaurants müssen seit Anfang Woche landesweit um 18 Uhr schliessen, an Sonn- und Feiertagen dürfen sie nur zum Mittagessen öffnen. Im Freien sind Essen und Trinken verboten. Das Nachtleben wurde komplett gestoppt. Kinos, Theater und Spielsalons bleiben geschlossen, ebenso Fitnessstudios und Schwimmbäder.

In Italien hat die Zahl der Corona-Neuinfektionen inzwischen fast die Marke von 25'000 erreicht. Gegen die Politik der Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte (56) gibt es vielerorts im Land heftige Proteste.

Über weitere Massnahmen wird momentan diskutiert. Ein Streitpunkt sei, ob der Präsenzunterricht in Schulen eingestellt werden soll, schrieb die Zeitung «La Repubblica». Schulministerin Lucia Azzolina betonte wiederholt, die Bildungsstätten seien «sicher». Die südlichen Regionen Apulien und Kampanien haben dagegen beschlossen, den Präsenzunterricht auszusetzen.

Premier Conte sprach mit Blick auf Anti-Corona-Massnahmen von einem nationalen Rahmen und verbesserten lokalen Antworten. Zu Schulschliessungen sagte er am Samstag, Rom wolle sie vermeiden. Die obersten Ziele blieben jedoch Gesundheit und der Erhalt der Wirtschaft.

Unter anderem in der norditalienischen Lombardei mit der Hauptstadt Mailand ist die Lage so angespannt, dass nach Berichten ein Lockdown erwogen wird. Für Neapel, Genua und Turin würden strenge Sperren ebenfalls geprüft, hiess es.

Belgien

Das Land mit der aktuell höchsten Infektionsrate Europas hat ebenfalls einen Lockdown beschlossen. Zwar gibt es keine Ausgangsbeschränkungen, doch Ferienparks und Zoos müssen geschlossen bleiben. Ebenso alle «nicht-wesentlichen» Geschäfte. Dazu gehören Coiffeure und andere Berufe mit direktem Körperkontakt. Hotels indes bleiben offen. Im öffentlichen Raum dürfen maximal vier Personen zusammenstehen. Die Schulen müssen die aktuellen Ferien bis zum 15. November verlängern, danach gilt auf Sekundarstufe, dass bis zu den Weihnachtsferien der Unterricht zur Hälfte online stattfinden muss. Alle Massnahmen gelten ab Montag, 2. November. Die Lage in den Spitälern spitzt sich in Belgien täglich zu. Waren vergangenen Sonntag noch 700 Intensivbetten im Land belegt, waren es am Freitag bereits 1057, wie die «FAZ» berichtet.

Portugal

Das noch im Frühjahr wegen seiner niedrigen Corona-Zahlen gepriesene Portugal hat angesichts immer schneller steigender Infektionszahlen einen Teil-Lockdown angekündigt. 70 Prozent der rund 10,3 Millionen Bürger des Landes hätten ab Mittwoch die "Bürgerpflicht", möglichst Zuhause zu bleiben, sagte Regierungschef António Costa nach einer achtstündigen Krisensitzung am Samstagabend in Lissabon. Die Schulen sollten jedoch geöffnet bleiben.

Es handelt sich nicht um eine strikte Ausgangssperre, da die Menschen ihre Häuser verlassen dürften, um zur Arbeit, zum Arzt oder zu einem pflegebedürftigen Angehörigen zu gehen, wie Costa sagte. Auch sollen kurze Spaziergänge sowie der Besuch von Restaurants weiter erlaubt sein, die jedoch weniger Menschen bedienen dürften und früher schliessen müssten. Wo immer möglich, solle zur Heimarbeit gewechselt werden. Wochenmärkte unter freiem Himmel und andere Marktveranstaltungen seien künftig verboten.

Die neuen Einschränkungen sollen in insgesamt 121 Kommunen landesweit einschliesslich Porto und der Hauptstadt Lissabon gelten, in denen die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen 14 Tagen die Zahl von 240 überstieg. Costa betonte, die Massnahmen seien unumgänglich, um einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern. Andererseits müsse aber auch die Wirtschaft am Laufen gehalten werden.

Am Vortag waren 4656 neue Infektionen registriert worden, so viele wie noch nie binnen 24 Stunden seit Beginn der Pandemie. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Menschen binnen 14 Tagen kletterte im Landesdurchschnitt auf 240. Im Vergleich dazu liegt dieser Wert in Deutschland auf die vergangenen sieben Tage berechnet bei 104,9. Auch die Zahl der Menschen, die binnen 24 Stunden mit Covid starben, stieg auf 40, so hoch wie noch nie seit dem Ausbruch der Pandemie.

Die Bundesregierung warnt vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Portugal. Ausgenommen ist noch der Süden des Landes inklusive der auch bei deutschen Urlaubern beliebten Algarve.

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