Gesundheitsminister Alain Berset (48) will die Schraube anziehen. Wie BLICK weiss, schlägt er dem Gesamtbundesrat für die Mittwochsitzung eine ganze Reihe von Massnahmen vor, um die rasante Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen.
Geht es nach dem SP-Bundesrat, werden private Versammlungen auf zehn Personen beschränkt. In einem Entwurf, den Berset am Freitag den Kantonen zur Konsultation geschickt hatte, schlug er noch eine Obergrenze von 15 Personen vor – und bereits mit dieser stiess er bei vielen Kantonen auf Granit. «Wie soll man das kontrollieren und sanktionieren?», fragte etwa ein Regierungsrat. Auch im Bundesrat dürfte Berset mit der Forderung kein leichtes Spiel haben.
Geisterspiele möglich
Zu öffentlichen Veranstaltungen will der SP-Magistrat nur noch 25 Personen zulassen. Dem Vernehmen nach wäre er sogar bereit, die Obergrenze auf 20 oder 15 Personen zu senken. Und auch bei grösseren Sportanlässen oder Kulturveranstaltungen will Berset kein Auge zudrücken: Er schlägt dem Bundesrat vor, die Zuschauerzahlen bei Fussballspielen oder Konzerten drastisch zu senken – allenfalls sollen gar wieder Geisterspiele ohne Zuschauer ausgetragen werden. Dagegen sollen sich vor allem die beiden SVP-Bundesräte sträuben.
Auch die Clubs will Berset schliessen – ohne Wenn und Aber. Wie bei den Kantonen dürfte er mit dieser Forderung auch im Bundesrat auf Goodwill stossen. Ähnliches gilt für die dringliche Homeoffice-Empfehlung.
Sperrstunde – aber ab wann?
Umstrittener ist die Einführung der Sperrstunde: Während die Kantone diese erst ab 23 Uhr verhängen wollen, hält Berset an seinem ursprünglichen Vorschlag fest, Restaurants zwischen 22 und 6 Uhr zu schliessen. Gut möglich, dass die bürgerlich dominierte Regierung der Gastronomie in diesem Punkt entgegenkommen und Berset überstimmen wird.
Kommentar zum Thema
Maskenpflicht in Innenstädten
Für die heftigste Kontroverse dürfte in der Landesregierung die Ausweitung der Maskenpflicht sorgen. Nachdem die meisten Kantone in der Konsultation eine breite Maskenpflicht im Freien abgelehnt haben, geht Berset mit einem abgeschwächten Vorschlag in die Regierung.
Das heisst: Beim Spazieren im Wald muss keine Maske getragen werden, beim Einkaufen in der Innenstadt – wo sich viele Menschen tummeln und die Abstände nicht eingehalten werden können – hingegen schon. Hier dürften sich so manche bürgerlichen Regierungsmitglieder für eine abgeschwächte Form einsetzen.
Neue Formel «CH+60»
Schliesslich will der Bundesrat auch den Grenzwert zur Bestimmung von Risikogebieten anpassen. Bisher mussten Personen, die aus Ländern zurückkehrten, die mehr als 60 Corona-Fälle auf 100'000 Einwohner innert 14 Tagen verzeichnen, in Quarantäne.
Das Kriterium sorgt schon seit geraumer Zeit für Stirnrunzeln – denn die Schweiz überschreitet den 60er-Grenzwert seit Mitte September selber um ein Vielfaches. Dem Vernehmen nach sollen deshalb künftig nur jene Gebiete auf der Risikoliste landen, deren 14-Tage-Wert pro 100'000 Einwohner um 60 höher liegt als jener der Schweiz. Die neue Formel heisst also: «CH+60».
Klar ist: Im Bundesrat wird es zu heftigen Diskussionen kommen. Die Gräben zwischen Finanzminister Ueli Maurer (69), der vor einer Corona-Hysterie warnt, und Gesundheitsminister Berset, der nach einigem Zögern nun aufs Gaspedal drücken möchte, könnten tiefer kaum sein. In der Bundesverwaltung stellt man sich jedenfalls schon darauf ein, die vorbereiteten Papiere umzuschreiben.