Sie handelte mit Ringen, Ketten und Edelsteinen. Heute ist Ewgenija Emerald (31) ein Symbol des ukrainischen Widerstands. Bis zum 23. Februar dieses Jahres war die Mutter einer zehnjährigen Tochter erfolgreiche Geschäftsfrau, Schmuckhändlerin und Bloggerin mit Zehntausenden von Followern. Jetzt kämpft sie als Scharfschützin als Teil einer Spezialeinheit nahe der Front bei Charkiw gegen die russischen Truppen im Nordosten der Ukraine.
«Mein Vater hat mich schon als Kind zur Kämpferin erzogen», sagt Emerald zur ukrainischen Version des Magazins «Elle». Ihr verstorbener Vater, so die Scharfschützin, habe stets einen Krieg mit Russland befürchtet und sich dementsprechend vorbereitet. Er habe einen grossen Vorrat an Munition und Konservenlebensmitteln gelagert, um im Falle eines Krieges vorbereitet zu sein. Auch deshalb spielte Emerald als Kind eher mit Waffen und Uniformen, statt mit Puppen.
Kurz vor dem Krieg kaufte sie Verpflegung für sechs Monate und eine grosse Anzahl Munition. Am Tag des Einmarsches richtete sie in ihrem Wohnhaus eine Art Bunker für ihre Freunde und Verwandten ein. «Ich habe einige Menschen zu mir geholt, weil mir der Standort unseres Hauses am sichersten erschien. Ich lebte in einer Wohngegend, die für Raketenangriffe nicht attraktiv ist», so Emerald. «Danach habe ich mich direkt beim Einberufungsamt gemeldet und mich in die Armee einschreiben lassen.»
Bereits der zweite Versuch
Schon 2014, als die Russen auf die Krim einmarschierten, wollte Emerald für ihr Land kämpfen. «Ich wollte in die Armee eintreten. Damals war es aber gesetzlich untersagt, weil ich Mutter einer knapp zweijährigen Tochter war.» Das hat sich mittlerweile geändert. Heute ist Emerald Teil der Spezialeinheit namens Safari.
Mittlerweile ist sie fester Bestandteil ihrer Truppe, auch wenn sie am Anfang mit Vorurteilen wegen ihres Geschlechts zu kämpfen hatte. «Zu Beginn war es wirklich nicht einfach. Meine männlichen Kollegen hatten kein Verständnis dafür, dass ich nicht irgendwo an einem sicheren Ort bin und Kinder grossziehe.» Sie habe sich täglich beweisen müssen, habe konsequent auf Hilfe verzichtet und alle Aufgaben erfüllt, die auch die Männer zu erledigen hatten, um sich Respekt zu verschaffen. Mit Erfolg! Heute ist sie vor allem unter ihrem Kampfnamen Jeanne d'Arc bekannt.
Hochzeit an der Front
Das Leben an der Front ist hart, berichtet Emerald. Um ihre Moral aufrechtzuerhalten, habe sie begonnen, Englisch zu lernen und Bücher zu lesen. Solche alltäglichen Dinge helfen ihr sehr
«Für mich ist es wichtig, an meine Zukunft zu denken. Ich weiss jetzt genau, was ich nach dem Krieg machen möchte», sagt Emerald. Was angesichts der permanenten Todesgefahr an der Front geradezu grotesk klingt, helfe ihr, die Motivation nicht zu verlieren.
Ein Grund, weshalb sie trotz des Krieges optimistisch in die Zukunft schaut, ist die Liebe. Am 14. Oktober heiratete sie unweit der Kriegsfront den Soldaten Evgenij Stipanjuk, mit dem sie in der gleichen Einheit kämpft. Das Datum war nicht zufällig gewählt. Am 14. Oktober wird in der Ukraine der Tag der Verteidiger der Ukraine gefeiert.