Islamisten töten nicht nur im Krieg in Israel unschuldige Menschen. Auch in Westeuropa schlagen die extremistischen Mörder seit einigen Tagen wieder zu: Am Montagabend erschoss der polizeibekannte Tunesier Abdesalem L.* (†45) in Brüssel zwei schwedische Fussballfans. Drei Tage zuvor und nur zwei Autostunden davon entfernt erstach Kaukasus-Migrant Mohammed M.* (20) in der nordfranzösischen Kleinstadt Arras den Gymi-Lehrer Dominique Bernard (†57). Der Täter war in Frankreich in der Gefährder-Datenbank verzeichnet.
Blick hat sich ein Bild vor Ort in Arras gemacht. Der getötete Lehrer wohnte in einem kleinen Dorf neben dem Städtchen. An der Hauswand prangen Blumen für den Ermordeten. Eine Tochter von Bernard findet keine Worte. Die Nachbarin ist fassungslos, kann aber nur Gutes über den Französisch-Lehrer berichten. Eine Mutter mit zwei Mädchen kommt vorbei. Die drei halten bei den Blumensträussen inne. Dann schreiten sie in Richtung Eingang des Hauses, in dem Bernard lebte.
Nervöse Zivilpolizisten
In Arras selbst vermischt sich die Trauer mit Angst. Und enormen Sicherheitsvorkehrungen. Der Grund: Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron (45) wohnt der Beerdigungszeremonie von Bernard am Donnerstag bei. In der Kathedrale von Arras findet ein Trauergottesdienst statt – Blick muss draussen bleiben. Dort, ausserhalb dieses kolossalen Bauwerks, patrouillieren uniformierte und schwer bewaffnete Polizisten. Zivile Einsatzkräfte schauen nervös umher, ob ein potenzieller Gefährder durch die Gassen streunen könnte.
Auch auf der Place des Héros stehen haufenweise Polizisten. Dort haben sich Menschen versammelt, um den Gottesdienst via Grossleinwand zu verfolgen. Blick trifft Schüler William Damour (15). Dominique Bernard war bis zuletzt sein Französisch-Lehrer am Gambetta-Gymnasium – jener Schule, an der der islamistische Messermörder das Leben des Familienvaters beendete. «Es war unwirklich und unverständlich», erinnert sich William an den vergangenen Freitag. «Ich war am Boden zerstört.»
Was nun bleibt: «Nach dem Attentat habe ich Angst, in den Unterricht zu gehen. Ich fühle mich unsicher. Wenn es einmal passiert ist, kann es auch ein zweites Mal geschehen.» Seine Angst beschränke sich aber nicht nur auf das Schulgelände: «Überall Unsicherheit. Selbst, wenn ich durch die Strassen spaziere.»
Weniger um sich selbst, dafür mehr um seine Familie hat Alban Heusèle (42) Angst. Der Politiker des Rassemblement National traf Blick nach dem Gottesdienst zum Gespräch. Er ist Gemeinderat von Arras im Rat der Region Hauts-de-France und besuchte einst selbst das Gambetta-Gymnasium. Nach der Zeremonie spricht Heusèle mit Blick. Und ist wütend. Es sei ein Verbrechen, das hätte vermieden werden können. «Dieses Individuum hatte in Frankreich nichts verloren. Seine Familie hätte vor Jahren ausgeschafft werden müssen. Es ist tragisch.»
Der rechte Politiker prangert an: «Die Migration in unser Land ist nicht kontrolliert. Alle kommen nach Frankreich rein, aber niemand geht raus.» Die Konsequenz: «Wildgewordene Wahnsinnige spazieren in kompletter Freiheit hier umher.» Deshalb: «Ich will, dass Islamisten abgeschoben werden. Denn es sind menschliche Bomben. Die Bevölkerung muss davor beschützt werden.»
Einer, der sowohl den Terroristen von Arras kennt, als auch vor einigen Jahren Schüler des Todesopfers war, ist Maxime Rebout (16). Er besucht wie William Damour das Gambetta-Gymnasium. Blick trifft Maxime vor dem Schulhaus. Auch dort sind Polizisten und Soldaten stationiert. Mit Messerstecher Mohammed M. ging Maxime früher ins Boxtraining. «Damals hatte ich nicht den Eindruck, dass er sich radikalisiert hatte. In seinem Verhalten stellte ich nichts Komisches fest.» Nun, wenige Tage nach dem Attentat, habe er wie Politiker Heusèle mehr Angst um seine Liebsten als um sich selbst, stellt Maxime klar.
Tränen in der Kathedrale
Auch Hugo Wende (17) ist Gambetta-Schüler. Seit der Rückkehr an die Schule nach dem Attentat fühle er sich weniger sicher. Aber: «Immerhin ist man beruhigt, dass die Polizisten und Soldaten hier präsent sind.» Die Rückkehr in den Unterricht am Dienstag sei schwierig gewesen, betont Hugo. «Ich muss ständig daran denken.» Zwei Tage nach der Rückkehr ist er auch dabei, als in der Kathedrale der Trauergottesdienst für Dominique Bernard stattfindet. Hugo war Messdiener. «Seine Familie hat eine sehr schöne Rede gehalten. Lehrer und Schüler mussten weinen.»
Auch die Zuschauer auf dem Platz konnten die bewegenden Ansprachen mitverfolgen. Sie werden Dominique Bernard gerecht. Doch sie bringen ihn nicht zurück.
* Namen bekannt