Es ist ein verzweifeltes Rennen mit der Zeit. Lockdowns wirken kaum. Die Fallzahlen halten sich hartnäckig auf einem bedenklichen Hoch – oder steigen gar. Und die Impfungen hinken hinterher. Angepeitscht wird die dritte Welle vom britischen Corona-Mutanten B117. Tückisch ist er, befällt meist junge Menschen mit hoher Virenlast. Zudem ist B117 bis zu 70 Prozent ansteckender als das Virus der ersten Welle, aus dem es sich entwickelt hat.
Was Europa droht, zeichnet sich in Grossbritannien und seinem Nachbarn Irland ab. Seit September breitet sich B117 im Königreich aus. Zunächst unentdeckt. Zu Weihnachten waren bereits zwei Drittel der in London positiv Getesteten mit dem mutierten Virus infiziert. In anderen Teilen des Landes ist es heute die Hälfte.
Keine Entspannung in Sicht
Damit steigt auch die Zahl der Hospitalisationen dramatisch. Die aktuelle Corona-Bilanz der Briten: 3,12 Millionen Menschen wurden bislang infiziert, 82'000 starben an Covid-19. Und eine Entspannung der Pandemie ist trotz hartem Lockdown nicht in Sicht.
Auch Irland macht grosse Sorgen. Knapp fünf Millionen Menschen leben auf der Insel. In der vergangenen Woche erkrankten über 45'000 an Corona – wegen Pandemie-Beschleuniger B117. Damit avanciert das kleine Land zum Corona-Weltmeister und Hochrisikoland. So gilt ab sofort in der Schweiz: Wer aus Irland anreist, muss zehn Tage in Quarantäne. Die Angst, Irland-Reisende könnten die Virus-Variante einschleppen, ist zu gross.
Das Mutanten-Virus verbreitet sich rasend schnell
Dabei ist B117 längst bei uns angekommen, ebenso wie in weiteren 30 Ländern, 15 davon in Europa. Darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Dänemark, Schweden und Spanien. Als Briten-Premier Boris Johnson (56) im Dezember die neue Virus-Variante der WHO meldet, sind bereits Tausende seiner Landsleute auf Schweizer Skipisten unterwegs. Bis der Flugverkehr mit Grossbritannien wegen der Corona-Variante eingestellt wird, transportierten bereits 92 Flugzeuge 6300 britische Touristen vor allem in die Westschweiz. Spuren von B117 wurden sogar im Abwasser von Lausanne gefunden.
Knapp hundert Fälle von B117-Infektionen sind bis dato in der Schweiz bekannt. Wohl nur die Spitze des Eisbergs. Denn: Nur bei fünf von 100 positiv Getesteten wird auch der Typus des Coronavirus geprüft. Grund: Die Gensequenzierung zur Erkennung ist aufwendig und somit kostspielig. Eine Milchmädchenrechnung. Die Corona-Taskforce des Bundes warnt vor Unterschätzung der Lage. Das Expertenteam rechnet mit dem Schlimmsten: Ohne ernste Bekämpfung des Virus könnte die Zahl der Neuinfizierten bis Ostern in der Schweiz auf 20'000 am Tag steigen.