Fast 2,9 Millionen Flüchtlinge sind laut Operational Data Portal (ODP) aus der Ukraine nach Russland geflüchtet. Manche von ihnen wurden deportiert, einige gingen freiwillig in das Land, das einen Krieg in ihrer Heimat anfing. Der russische Präsident Wladimir Putin (70) versprach allen Ukrainern, die freiwillig nach Russland zügelten, 10'000 Rubel (123 Franken), und dass man sie schützen würde.
Der Kriegsbeginn am 24. Februar riss etliche Familien auseinander. Ukrainer, die in Russland lebten, wurden von Schuldgefühlen heimgesucht. Doch wer demonstrierte, wurde verhaftet. «Die Freiwilligenarbeit war der einzige Weg für mich, um mit der Schuld umzugehen», sagt ein Helfer in Russland zur «Washington Post».
Wie die Zeitung berichtet, gibt es ein Netz von Helfern in Russland, die die 2,9 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine unterstützen. Allerdings auf inoffiziellem Weg. Denn: Wer sich als Flüchtling in Russland registrieren lässt, beantragt den russischen Pass und bekommt eine Asylbescheinigung. Dann nach Europa zu gelangen, ist quasi unmöglich.
Der illegale Weg durch Russland ist oft der einzige
Obwohl diese Unterstützung nicht illegal ist, gehen Bürger, die sich solidarisch mit Ukrainern zeigen, ein Risiko ein. Nur schon Kritik an der «Spezialoperation Z», kann zu Verhaftungen führen. Die Freiwilligen, oft Menschen mit ukrainischen Wurzeln, schöpfen Hoffnung in ihrer Arbeit. Auch sie wollen, dass der Krieg zu Ende geht. «Ich wünsche mir, dass ich vielleicht in 20 Jahren in der Ukraine die Gräber meiner Eltern oder meine Geschwister besuchen kann», sagt eine Freiwillige, die in der Ukraine aufgewachsen ist, zur «Washington Post».
Die illegale Flucht über russische Helfer nach Europa ist für viele die einzige Chance, in die Ukraine zurückzukehren. «Vielen Flüchtlingen wurden die Ausweispapiere weggenommen oder sie mussten unterzeichnen, dass sie sich von der Ukraine loslösen», schreibt das «Center for Strategic and International Studies» (CSIS). Ukrainer können teilweise rein geografisch nur über Russland fliehen. Manche entscheiden sich freiwillig, weil sie prorussisch eingestellt sind. Botschafter Thomas-Greenfield sagte aber, dass «es zunehmende und glaubwürdige Beweise dafür gibt, dass diejenigen, die wegen vermeintlicher pro ukrainischer Neigungen als Bedrohung angesehen werden, verschwinden».
«Für die einen ist es Verrat, für mich ist es Überlebenskunst»
In Russland leiden ukrainische Flüchtlinge, die dem Krieg entkommen sind, weiter. The Insider» sprach anonym mit Flüchtlingen aus der Ukraine in russischen Städten. Bei der Einreise wurden ihre Handys kontrolliert, um zu prüfen, welche politische Haltung sie haben. Doch auch prorussische Flüchtlinge beklagen sich. «Niemand stellt uns ohne Staatsbürgerschaft ein», erzählt eine Ukrainerin. Dabei hatte Putin die Behörden angewiesen, Asylanten Jobs zu geben. Eine andere Ukrainerin erzählt, dass ihre Diplome nicht anerkannt wurden.
Eine Geflüchtete berichtet, wie sie, ihre Tochter und ihre Mutter mit offenen Armen in einem russischen Kloster empfangen wurden. Es war sauber, gab genug zu essen – man kümmerte sich. Doch nur, solange Journalisten kamen, um darüber zu berichten. Als die Kameras weg waren, beschwerten sich die Bewohner des Klosters über die Flüchtlinge, die Strom und Wasser verbrauchten. Zurückkehren ist keine Option. «Für die Ukraine bin ich eine Verräterin», sagt die Frau zu «The Insider». «Für mich ist das Überlebenskunst.»