«Honigfalle» in England
Russische Spioninnen sollten Journalisten und Dissidenten ins Visier nehmen

Der Spionageprozess in London hält einige brisante Enthüllungen bereit: Es geht um eine Dreiecksbeziehung zwischen Agenten, «Honigfallen» und mögliche Verbindungen zu Ex-Wirecard-Banker Jan Marsalek.
Publiziert: 11:04 Uhr
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Aktualisiert: 12:14 Uhr
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Katrin I. sollte Männer bezirzen, um ihnen Informationen zu entlocken.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Spionagering in Grossbritannien aufgedeckt
  • Agentinnen sollten als «Honigfallen» eingesetzt werden, Dreiecksbeziehung zwischen Spionen
  • 221 Mobiltelefone und 495 SIM-Karten bei Durchsuchungen sichergestellt
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Marian NadlerRedaktor News

Es ist einer der brisantesten Gerichtsprozesse Grossbritanniens: Ermittler haben einen Spionagering aufgedeckt, der im Auftrag des Kremls von der Insel aus Operationen in London, Wien, Valencia, Stuttgart und Montenegro beteiligt gewesen sein soll. Die Gruppe soll «viele Menschenleben» gefährdet haben, hiess es am Donnerstag im Gerichtssaal am Zentralen Strafgerichtshof in London, schreibt die «Times». 

Unter anderem führten sie Angriffe auf eine Militärbasis aus, die zur Ausbildung ukrainischer Streitkräfte genutzt wird. Pikant: Einer der Drahtzieher, Biser D.* (34) unterhielt eine Dreiecksbeziehung mit Vanya G.* (30) und Katrin I.* (32). Die beiden Bulgarinnen sollten als sogenannte «Honigfallen» Journalisten und Dissidenten ins Visier nehmen. 

Agentin liebte zwei Spione

Eine «Honigfalle» bezeichnet eine operative Massnahme, bei der eine Agentin Zuneigung für eine Person vorspielt und mittels Verführung an wichtige Informationen gelangt. Gleichzeitig kann das Verhältnis auch für Erpressung genutzt werden. Und so gab die Gruppe angeblich vor Gericht auch zu, dass die Frauen als «sexuelle Köder» den Zielpersonen mehr Informationen entlocken sollten. 

Der Beziehungsstatus der mutmasslichen Agentinnen schien dabei fliessend zu sein. Vanya G. war vor ihrer Liaison mit Biser D. auch mit einem weiteren Angeklagten, Tihomir I.* (39) liiert.

Geld von Marsalek

Die Gruppe soll darüber nachgedacht haben, einen investigativen Journalisten, der die russischen Verbindungen zur Vergiftung des Ex-Agenten Sergej Skripal im Jahre 2018 aufgedeckt hatte, zu töten. Alternativ sollte der Journalist Christo Grosew (54) entführt und nach Moskau gebracht werden.

Ex-Wirecard-Banker Jan Marsalek (44), dem vorgeworfen wird, ebenfalls ein russischer Spion zu sein, soll Orlin R., ein weiteres Mitglied des Agentenrings, für Spionageoperationen bezahlt haben. Marsalek und Orlin R. sollen laut «Times» zwischen August 2020 und Februar 2023 78'747 Nachrichten ausgetauscht haben. Die Spione überwachten Personen und Orte und nutzten teilweise auch falsche Identitäten. Marsalek ist seit der Insolvenz des Zahlungsunternehmens Wirecard im Juni 2020 auf der Flucht und wird in Russland vermutet.

Katrin I. soll 18 falsche Ausweisdokumente besessen haben

Bei Durchsuchungen stellte die Polizei 221 Mobiltelefone und 495 SIM-Karten sicher, ausserdem Audio- und Videoaufzeichnungsgeräte, Drohnen, Abhörgeräte, Störsender und Hackersoftware. Ein Grossteil der Ausrüstung wurde in dem Gästehaus gefunden, in dem Orlin R. mit seiner Frau und seinem Stiefsohn in Great Yarmouth im Osten Englands lebte. 

Vanya G. betrieb einen Schönheitssalon im Westen Londons. Katrin I. arbeitete als Laborassistentin. Ihr wird vorgeworfen, 18 falsche Ausweisdokumente besessen zu haben, darunter britische, französische, italienische, griechische, tschechische, slowenische, kroatische und bulgarische Pässe, was sie bestreitet. Tihomir I. jobbte als Maler und Lackierer. 

* Namen bekannt 

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