Die Schweiz hat keine CIA, keinen MI6 und keinen Mossad. Dafür den Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Die Behörde sollte das Land vor Terrorismus und Cyberkrieg schützen. Sollte. Aber nicht immer scheint diese Aufgabe Priorität zu haben.
Dies zeigt der Fall eines Geheimdienstmitarbeiters, der sich lieber sexuellen Bedürfnissen als den Sicherheitsbedürfnissen des Staates widmete. Der NDB-Mann frequentierte während der Dienstzeit offenbar regelmässig Pornoseiten im Internet. Onanieren statt observieren. Nun flog der scharfe Schlapphut auf.
Türöffner für Hackerangriffe
Brisant ist die Sache vor allem, weil der NDB heikle Daten sammelt und dank des seit 2017 gültigen Nachrichtendienstgesetzes über weitreichende Kompetenzen bei der elektronischen Überwachung verfügt. Die dem Militärdepartement (VBS) angegliederte Abteilung ist die Scharnierstelle der Schweizer Sicherheitspolitik. Werden von dort aus zwielichtige Portale besucht, kann dies Hackerangriffen Tür und Tor öffnen und damit die Datensicherheit der Zentralgewalt in ernsthafter Weise gefährden.
Zudem ist eine diskrete Behörde wie der NDB auf integre und verantwortungsbewusste Mitarbeiter angewiesen. Und Vorfälle wie dieser wirken nicht gerade vertrauensfördernd.
NDB-Sprecherin Isabelle Graber bestätigt die Recherchen. Gegenüber SonntagsBlick teilt sie mit: «Der Nachrichtendienst des Bundes hat einen Mitarbeitenden wegen eines möglichen Verstosses gegen die Informatiknutzungsweisungen des VBS – private bzw. verbotene Nutzung der Informatikmittel – freigestellt.»
Causa Moser wirkt noch nach
Für den Nachrichtendienst kommt die Panne äusserst ungelegen – am 1. Juli übernahm der neue Direktor, Brigadier Jean-Philippe Gaudin (55). Er soll für Ruhe und Stabilität sorgen, nachdem ein Parlamentsbericht zum Fall Daniel Moser ein vernichtendes Urteil gefällt hat: Beim Engagement des aufgeflogenen Spions, der deutsche Steuerfahnder hätte überführen sollen, habe der NDB nicht nur unvorsichtig gehandelt, sondern auch geltendes Recht missachtet, so das Verdikt der Geschäftsprüfungsdelegation.
Die Causa Daniel Moser hatte den Rückhalt des Nachrichtendienstes bei Bevölkerung und Politik auf eine harte Probe gestellt.
Im aktuellen Fall wurde laut zuverlässigen Quellen die Berner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Diese soll Vorermittlungen eingeleitet haben. Eine entsprechende Anfrage liessen die Strafverfolger am Freitag unbeantwortet. NDB-Sprecherin Graber: «Die Vorkommnisse werden nun von den zuständigen Stellen und Behörden untersucht. Bis zum Abschluss dieser Untersuchung gilt die Unschuldsvermutung.»