Portugal, Malta, Spanien und Island – sie sind die bestgeimpften Länder Europas. In Portugal und Malta haben 84 Prozent der Bevölkerung beide Piks erhalten. Spanien und Island 78 respektive 77 Prozent. Entsprechend tief sind die Covid-Todesraten, wie neue Zahlen aufzeigen.
Island weist einen aktuellen Sieben-Tage-Schnitt von praktisch null Covid-Todesopfern per 100'000 Einwohnern auf. Die Werte von Malta, Portugal und Spanien liegen bei 0,028, 0,051 und 0,069. Wo noch Neuinfektionen auftreten, verlaufen diese meist asymptomatisch und mild.
Die gegenwärtige Coronavirus-Todesrate der Schweiz liegt bei 0,088, bei einer vollständigen Durchimpfung von rund 58 Prozent der Bevölkerung. Damit liegt die Schweiz noch weit hinter Ländern wie etwa Dänemark mit einer 75-Prozent-Durchimpfung zurück. Laut Bundesrat macht es dies unmöglich, in der Schweiz alle Massnahmen aufzuheben, wie das Dänemark, Schweden und eben Portugal tun – Portugal, dessen Gesundheitswesen im Januar noch am Rande des Kollapses stand.
Kampf gegen Pandemie zum Krieg gemacht
Portugal hat seither eine beachtliche Kehrtwende vollzogen. In der letzten Januarwoche 2020 starben fast 2000 Menschen am Virus. Acht Monate später sind mehr als 84 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft. Neuinfektionen sind auf ein paar Hundert pro Tag gesunken und Todesfälle verschwindend gering.
Der Schlüssel zum Erfolg: Das Militär half dabei, dass Portugal die höchste Impfquote weltweit erreichte. Das beliebte Ferienland hat seine Impfkampagne generalstabsmässig organisiert. Das Impfprogramm liegt in der Verantwortung von Vizeadmiral Henrique Gouveia e Melo (60), dem ehemaligen Befehlshaber eines U-Boot-Geschwaders. «Wir glauben, dass wir den Punkt erreicht haben, an dem wir einen Gruppenschutz und fast eine Herdenimmunität haben», sagte Gouveia e Melo der «New York Times». «Es sieht sehr gut aus.»
Sein Ansatz mag nicht überall funktionieren. «Das Wichtigste ist, die Sache zu einem Krieg zu machen», so der Unformierte. Gouveia e Melo ging die Pandemie militärisch an. Er habe «nicht nur die Sprache des Krieges, sondern auch die des Militärs» verwendet. Während Politiker auf der ganzen Welt eine ähnlich martialische Rhetorik an den Tag legten, sei es für seinen Erfolg entscheidend gewesen, dass er nicht als Politiker angesehen wurde.
Impfstrassen wie ein «Fliessband»
Er habe Leute finden müssen, die keine Politiker seien. Schnell stellte er ein Team von etwa drei Dutzend Personen zusammen, das von Elitesoldaten geleitet wurde - darunter Mathematiker, Ärzte, Analysten und Strategieexperten aus Portugals Heer, Luftwaffe und Marine.
Unter Politikern sei die Impfaktion zu langsam vorangekommen. «Diese Uniform war ein Symbol für die Notwendigkeit, die Ärmel hochzukrempeln und das Virus zu bekämpfen“, sagte Gouveia e Melo der Nachrichtenagentur AP. Bald gab es Impfstrassen, die einem «Fliessband» glichen, wie er sich selber rühmt.
Die wahren Mörder seien Ewiggestrige
Erst hätten Demonstranten den Eingang zu einem Impfzentrum in Lissabon blockiert. Also zog er seinen Kampfanzug an und ging ohne Sicherheitskräfte dorthin. «Ich ging durch diese verrückten Leute hindurch», sagte er. «Sie fingen an, mich ‹Mörder, Mörder› zu nennen. Ich sagte, der Mörder ist das Virus.» Die wahren Mörder, fügt der Admiral hinzu, seien die Menschen, die wie im 13. Jahrhundert leben und keine Ahnung von der Realität haben.
Schliesslich habe sein forsches Auftreten im Tarnanzug – als ob er einen Krieg führen würde – auch die meisten Zweifler überzeugt. Zwang und neue Vorschriften waren nicht nötig. «Wir haben eine Schlacht gewonnen», sagt Gouveia e Melo heute. «Aber ich weiss nicht, ob wir den Krieg gegen das Virus gewonnen haben. Das ist ein Weltkrieg.» (kes)