Die Dänen haben es schon geschafft. Keine Masken, keine Beschränkungen, kein Zertifikat. Dort scheint Corona kein grosses Thema mehr zu sein. «Das ist nur möglich, weil 75 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, von den über 50-Jährigen sogar 96 Prozent», erklärte die dänische Epidemiologin Lone Simonsen kürzlich im Blick.
Andere Länder wollen nachziehen. Eine Art Corona-Euphorie scheint umzugehen. Viele sehnen sich das Ende der Pandemie herbei. So auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (41). Er glaubt daran, dass die Corona-Pandemie nächsten Frühling schon vorbei sein könnte. Damit ist der 41-Jährige nicht allein. Auch der Corona-Experte der US-Regierung, Anthony Fauci (80), glaubt, dass die Pandemie im Frühjahr unter Kontrolle ist. Er erwarte, dass die USA bis dann «zu einem gewissen Grad zur Normalität zurückkehren» würden, sagte er gegenüber «CNN».
Aber ist das Ende der Pandemie wirklich so nahe? Können schon bald die Masken im Schrank verstaut werden? 6 Fragen rund um den Corona-Optimismus.
1. Wie lässt sich der Corona-Optimismus erklären?
Die Pandemie scheint unter Kontrolle zu sein. Die Zahl der Infektionen bleibt mehr oder weniger konstant. Ein explodierender Anstieg wie noch letztes Jahr um diese Zeit ist bisher nicht zu beobachten.
Lockdowns wird es wohl keine mehr geben, um die Inzidenz in den Griff zu bekommen. Die Büros füllen sich langsam wieder. Mancherorts braucht man auch keine Maske mehr.
Und auch das Reisen ist wieder möglich. Die USA lockern zum Beispiel ab November ihre Einreisebestimmungen. Dann können EU-Bürger, Briten und auch Schweizer wieder ins Land. Bedingung: Reisende müssen doppelt geimpft sein.
2. Was braucht es für ein schnelles Ende der Pandemie?
Dafür braucht es nur eines: eine hohe Impfquote. Das hat nicht nur Dänemark bewiesen. Portugal und Italien hatten stark mit dem Virus zu kämpfen. Die Infektionszahlen schnellten in die Höhe. Viele Menschen verloren ihr Leben.
Doch zurzeit sieht es in den beiden Ländern gut aus. Die Lage entspannt sich. Portugal mauserte sich sogar zum Impfmeister. Rund 81 Prozent der Bevölkerung in Portugal sind vollständig geimpft. Bis Ende September sollen es 85 Prozent sein.
3. Und wo steht die Schweiz?
Die Impfquote in der Schweiz steigt zwar, aber zu langsam! Die Geschwindigkeit sei zu tief, um eine Durchimpfungsrate zu erreichen, welche das Infektionsgeschehen massgebend positiv beeinflussen könnte, sagte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese Woche. Im Moment würden etwa 30'000 Impfungen pro Tag verabreicht. Die Gefahr weiterer Corona-Wellen sei also noch nicht gebannt. Gerade mit Blick auf die kältere Jahreszeit.
Während Dänemark, Portugal und Italien mit hohen Impfquoten in den Winter gehen, sieht es in der Schweiz bislang eher mau aus. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind hierzulande gerade mal 54,3 Prozent vollständig geimpft.
Zwar steigen die Impfzahlen schweizweit seit den Sommerferien wieder leicht an. Vergangene Woche wurden rund 220'000 verabreicht und damit 17 Prozent mehr als in der Vorwoche. Doch im Vergleich zum Beginn der Kampagne im Frühsommer, als im ganzen Land wöchentlich zeitweise über 600'000 Dosen verteilt wurden, ist der Unterschied weiterhin gross.
4. Ist die Corona-Gefahr wirklich gebannt?
Zurzeit sieht es gut aus. Denn: Das Virus hat keine gefährlicheren Mutanten hervorgebracht. Denn mutiert das Virus, kann es sein, dass die Varianten noch ansteckender sind als ihre Vorgänger und sogar resistenter werden, was die Impfung betrifft. Die Folge: mehr Impfdurchbrüche.
Mit der Delta-Variante ist dies bereits geschehen. Nun gilt es zu hoffen, dass sich keine weiteren Varianten entwickeln.
«Wenn man berücksichtigt, dass das Coronavirus wie die Grippe weiter mutieren und bei uns bleiben wird, müssen wir weiterdenken, wie wir unsere Impfstrategie schrittweise an die endemische Ausbreitung anpassen», sagte Europa-Direktor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Hans Kluge (52), Anfang September.
Eine Lösung wäre eine jährliche Auffrischung. Das glaubt auch Moderna-CEO Stéphane Bancel (49). Aber der Piks hat auch etwas Gutes. «Mit einer einzigen Injektion kann man Covid-, Grippe- und weitere Impfungen verbinden. Man bekommt einen Stich und ist gegen mehrere Viren geimpft», so der Moderna-Chef im Interview mit Blick.
5. Ist die Pandemie also bald vorbei?
Jein. Während sich die Lage zwar entspannt und die Impfquote in einzelnen Ländern weiter steigt, braucht es für ein wirkliches Ende der Pandemie mehr Vakzine für ärmere Länder.
6. Wieso ist es wichtig, dass auch ärmere Länder geimpft sind?
Weltweit herrscht eine Ungleichheit, was die Impfungen betrifft. Ein grosses Problem im Kampf gegen die Pandemie, wie WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus (56) kürzlich betonte. «Je länger die Ungleichheit bei den Impfstoffen anhält, desto mehr wird das Virus weiter zirkulieren und sich verändern und desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Varianten auftauchen, die die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinträchtigen», erklärte der WHO-Chef weiter.
Weltweit wurden mehr als 5,7 Milliarden Dosen verabreicht, aber nur 2 Prozent davon in Afrika. Das schadet nicht nur den Menschen in Afrika, sondern allen.
Die schlimmste Pandemie der letzten hundert Jahre werde erst dann beendet sein, wenn es eine echte globale Zusammenarbeit bei der Versorgung mit und dem Zugang zu Impfstoffen gebe. Impfziel der WHO sei weiter, dass bis Mitte 2022 70 Prozent der Bevölkerung aller Länder geimpft sein sollten.
Noch kann die Maske also nicht im Schrank verstaut werden. Aber ein Ende ist in Sicht. (jmh/SDA/AFP)