Gefängnisartige Zustände, zu wenig Essen, Willkür. Was Helfer aus einem Zwischenlager für unbegleitete Minderjährige in Dallas (Texas) erzählen, ist erschütternd. «Die Kinder werden wie Gefangene behandelt, und das ist verrückt», sagte die Lehrerin Kirsten Chilstrom, die als Freiwillige im umgenutzten Dallas Convention Center arbeitet, der Nachrichtenseite «The Daily Beast». Mehrere Ehrenamtliche und Mitarbeiter der Verwaltung bestätigen den Eindruck.
Der Schlafraum dürfe nur zum Essen und Duschen verlassen werden. Wer auf die Toilette wolle, müsse das anmelden. Manche Kinder und Jugendliche würden mitten in der Nacht abgeholt – ihre Gspänli erfahren offenbar nicht mal, was mit ihnen passiert.
Und selbst an Essen fehlt es. «Die Portionen sind zu klein», sagt der Helfer und MBA-Student Sam Hodges. «Zahlreiche Kinder haben mir gesagt, dass sie hungrig sind, und mich um zusätzliches Essen angefleht», so Chilstrom. Die Essensqualität sei mies, die Verwaltung bestelle für ihre Mitarbeiter extra anderes.
Die Berichte sind das neuste traurige Kapitel in der US-Grenzkrise. Seit Anfang Jahr kommen besonders viele unbegleitete Kinder und Jugendliche in den USA an – sie sind praktisch die Einzigen, die nicht sofort wieder ausgewiesen werden. Im März waren es fast 19'000. Maximal 72 Stunden darf die Grenzpolizei sie festhalten, anschliessend kommen sie in eine Zwischenunterkunft wie die Kongresshalle in Dallas.
Biden versprach Verbesserungen
Laut einer Recherche der «New York Times» sind die Lager fast alle überlastet. Mehr als einen Monat müssen die Kinder und Jugendlichen hier oft ausharren, bevor sie zu Familienmitgliedern in den USA oder in Pflegefamilien kommen und ihr Asylprozess beginnen kann. Experten beklagen die psychischen Auswirkungen für die Minderjährigen.
«Die Dinge werden sich verbessern, aber es braucht Zeit», sagte Joe Biden (78) Reportern bei seiner ersten Fragestunde am 25. März. Der schnelle und hohe Anstieg der Migrationszahlen hatte den neuen US-Präsidenten überrascht, sein Vorgänger hatte die Infrastruktur an der Grenze ausgehöhlt.
Doch viel spricht dafür, dass es nicht nur an Trumps Erbe liegt. Auch die neue US-Regierung ist mit der Grenzkrise offenbar überfordert – oder will schlicht nicht sehen, was dort passiert. Anfang Juni will die mit der Lösungssuche beauftragte Vizepräsidentin Kamala Harris (56) zwar Mexiko und Guatemala besuchen, doch an der Grenze war sie noch nicht.
Dafür erhielten umstrittene private Sicherheitsfirmen wie MVM, Inc., die schon unter Ex-Präsident Donald Trump (74) in die Familientrennungen an der Grenze involviert war, Millionenaufträge. Im Zwischenlager in Dallas ist Culmen International zuständig. Laut ihrer Webseite sorgt die Firma für «die Verbesserung der internationalen Sicherheit, die Stärkung der Landesverteidigung und die Optimierung von Regierungsabläufen». Nach einem starken Partner für das Kindeswohl klingt das nicht.