Corona-Flüchtlinge sorgen in den USA schon für Krise
Auch der Schweiz droht das Biden-Problem

Wegen Corona steht die US-Regierung an der Grenze zu Mexiko vor der grössten Anzahl Schutzsuchender des letzten Jahrzehnts. EU-Agenturen warnen: Uns droht das gleiche Szenario.
Publiziert: 29.03.2021 um 12:41 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2021 um 11:54 Uhr
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Geflüchtete aus Mittelamerika wie diese Frau mit Kind müssen in Mexiko auf die Bearbeitung des Asylgesuchs warten.
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann

Die Situation an der US-Grenze zu Mexiko spitzt sich wieder zu. Der neuste Migrationsschub könnte gar der grösste der vergangenen zwei Jahrzehnte werden. Laut US-Medien befinden sich aktuell mehr als 15'000 Kinder in Grenzhaft – rund ein Drittel davon länger als die erlaubten 72 Stunden. Erste Bilder aus provisorischen Massenlagern in Donna im US-Bundesstaat Texas zeigen überfüllte Zelte. Die Minderjährigen kauern auf dünnen Matratzen unter Foliendecken.

Noch nie, sagen Hilfsorganisationen, gab es so viele Gründe, die Menschen aus Lateinamerika zur Flucht bewegen. «Die Pandemie hat alles noch mal schlimmer gemacht. Nach einem Jahr Corona sind die Schwierigkeiten und Herausforderungen in ihren Heimatländern für viele Menschen lebensbedrohend», sagt Marcela Salazar Posada von Terre des hommes in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá zu SonntagsBlick.

Neben Gewalt, Armut, Bandenkriminalität und Wirbelstürmen spielt die Corona-Krise eine grosse Rolle für die Geflüchteten. Mexiko hat als drittes Land weltweit den traurigen Rekord von 200'000 Corona-Toten erreicht – im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind das rund ein Drittel mehr als in der Schweiz.

Die Menschen aus Venezuela, Honduras, El Salvador, Guatemala, Mexiko und anderen Ländern, die in diesen Tagen wieder an der US-Grenze ankommen, fliehen vor der schlechten gesundheitlichen Situation in ihren Heimatländern – und hoffen auf Impfstoff und die schnellere wirtschaftliche Erholung in den rasend schnell impfenden USA.

EU-Agenturen warnen vor Corona-Flüchtlingen

Was die Biden-Regierung nun herausfordert, droht auch Europa und der Schweiz. Wie der «Spiegel» berichtet, warnen die EU-Agenturen bereits vor Corona-Flüchtlingen. Die Befürchtung: Der Impfstoff-Egoismus der EU und anderer reicher Länder, zu denen auch die Schweiz zählt, könnte im Sommer zu einem Anstieg der Migration beitragen.

Aus einem vertraulichen Protokoll einer Videokonferenz mit Experten der EU-Staaten, das dem «Spiegel» vorliegt, geht hervor, dass die Grenzschutzagentur Frontex, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) und die Asylagentur EASO vor einem Anstieg der Migrationszahlen im Mittelmeerraum warnen. Besonders die «schlechte wirtschaftliche und medizinische Situation in den Herkunftsländern» sei ein zur Flucht drängender Faktor – die bessere Lage in Europa wiederum ein anziehender Faktor.

Entwicklungsländer haben nicht genug Impfstoff

Auch wenn die EU und die Schweiz aktuell nicht so schnell impfen wie die USA: Spätestens im Sommer soll die Corona-Impfung für alle verfügbar sein. In den Entwicklungsländern hingegen läuft die Impfkampagne nur schleppend an – wenn überhaupt.

Erst Ende Februar konnte die Verteilung von Impfstoff in vielen Herkunftsländern der Geflüchteten starten. Über die solidarische Covax-Initiative der Vereinten Nationen, an der auch die Schweiz beteiligt ist, wurde zwar Impfstoff für 92 Entwicklungsländer eingekauft – allerdings erstmal nur genug, um die Risikogruppen zu immunisieren.

Indien hat Astrazeneca-Export gestoppt

Und selbst dieses vergleichsweise kleine Kontingent ist in Gefahr. Denn Indien, einer der Hauptlieferanten für den Astrazeneca-Impfstoff, hat den Export wegen der explodierenden Fallzahlen im eigenen Land vorläufig gestoppt.

Die Covax-Initiative rechnet deshalb damit, dass für März und April geplante Lieferungen nicht wie erwartet ankommen werden. Das würde die Impfkampagne in den Entwicklungsländern weiter verschleppen – und das ausgerechnet, während immer mehr gefährliche Varianten auftreten.

Fliehen mehr Menschen vor der Pandemie und den wirtschaftlichen Folgen nach Europa, ist die Schweiz mitbetroffen – auch wenn sie im Rahmen der Dublin-Verordnung Menschen vergleichsweise konsequent zurück in die europäischen Länder schickt, in denen diese zuerst eingereist sind.

Für 2021 rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) laut einem Bericht vom 1. Februar bislang nur mit rund 15'000 neuen Asylgesuchen. Gut möglich, dass sie diese Prognose nach oben korrigieren muss: Im Jahr 2015, dem Höhepunkt der europäischen Flüchtlingskrise, waren es 39'523 Asylgesuche.

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