Haiti ist ein leidgeplagter Staat: 2010 sterben bei einem schweren Erdbeben 222'000 Menschen. 2016 zieht Hurrikan Matthew über das Karibik-Land hinweg – 1000 Tote. Dazu kommen politische Unruhen: Anfang Juli dieses Jahres wird Staatspräsident Jovenel Moïse (†53) ermordet.
Und am Wochenende das nächste Unheil: Ein Erdbeben der Stärke 7,2 auf der Richterskala erschütterte am Samstagmorgen das Land auf der Insel Hispaniola. Wegen des Bebens mussten bis am Montag 1297 Tote beklagt werden. Es gebe mehr als 5700 Verletzte, berichtete die Zeitung «Le Nouvelliste» unter Berufung auf den Zivilschutz. Mindestens 13'700 Häuser wurden demnach zerstört und ebenso viele beschädigt. Mehr als 30'000 Familien seien betroffen, hiess es weiter im Bericht.
Haiti-Premier bittet um Unterstützung
Als wäre dies nicht genug Elend, steuert nun auch noch ein heftiges Unwetter auf Haiti zu: Das tropische Tiefdruckgebiet «Grace» drohe, die Situation in Gebieten zu verschlimmern, die bereits in grossen Schwierigkeiten seien, teilte Haitis Zivilschutzbehörde mit. Das US-Hurrikan-Zentrum warnte derweil vor Überschwemmungen und Erdrutschen. «Wir brauchen viel Unterstützung, um der Bevölkerung zu helfen, vor allem den Verletzten», erklärte Haitis Interims-Premierminister Ariel Henry (71) auf Twitter.
Eine der Organisationen, die unterstützt, ist die «Welthungerhilfe». In einer Pressemitteilung berichtet Annalisa Lombardo, die Haiti-Landesdirektorin von Welthungerhilfe, dass das Erdbeben vor allem den Süden des Landes und die Provinz Nippes getroffen habe: «Das Gebiet gehört zu den ärmsten der Insel mit einer schlechten Infrastruktur.» Die einzige Strasse aus der Hauptstadt Port-au-Prince in die Provinz führe durch Gegenden, die seit Juni unter der Kontrolle von bewaffneten Gruppen seien.
«Katastrophe hat erneut Existenzgrundlagen zerstört»
Es werde eine grosse Herausforderung, die Dörfer und zerstörten Krankenhäuser mit Hilfsgütern zu erreichen, so Lombardo. «Viele Menschen dort haben nicht nur das letzte grosse Erdbeben erlebt, sondern auch besonders unter den Folgen des Hurricanes Matthew 2016 gelitten. Nun hat diese Katastrophe erneut ihre Existenzgrundlagen zerstört.»
Auch Marcelo Viscarra von der Kinderhilfsorganisation World Vision spricht von bemitleidenswerten Zuständen: «Tausende von Menschen sind noch immer auf den Strassen, um nach ihren Angehörigen zu suchen oder um ein paar ihrer Habseligkeiten unter den Trümmern zu bergen.»
Haiti hat kaum Corona-Impfstoffe
All diese Unglücke treffen mit Haiti ein Land, das ohnehin schon sehr arm ist: Auf dem aktuellen Bruttoinlandsprodukt-Ranking pro Kopf von «visualcapitalist.com» figuriert der Karibik-Staat auf Position 179 von 193. Im Index der menschlichen Entwicklung auf dem Portal des Entwicklungsprogramms der UNO steht Haiti auf Rang 170 von 189 (Stand 2020).
Neu hinzu kommt die miserable Corona-Situation von Haiti: Das Land leide schwer unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und habe bisher kaum Impfstoffe zur Verfügung, heisst es in der Welthungerhilfe-Mitteilung. (SDA/nl)