Die Mörder von Haitis Präsident Jovenel Moïse (†53) sind offenbar gefasst. 26 kolumbianische Söldner und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft sollen den Mord begangen haben. Haitis Nationalpolizei führte am Donnerstagabend (Ortszeit) in ihrem Hauptgebäude in der Hauptstadt Port-au-Prince 15 festgenommene Kolumbianer und die zwei US-Bürger vor.
Zu Festnahmen kam es in der Botschaft Taiwans in Port-au-Prince. Die haitianische Polizei sei ins Gebäude eingedrungen und habe dort elf Tatverdächtige verhaftet. Dies teilte Taiwans Botschaft am Freitag mit.
Ohne jegliches Zögern habe Taiwans Botschaft der haitianischen Polizei grünes Licht für die Aktion gegeben, hiess es in der Mitteilung weiter. Die Verdächtigen seien von der Polizei zum Verhör zurückgebracht worden. Taiwan sei ein «langjähriger Freund und glaubwürdiger Partner Haitis».
Täter seien Angehörige der kolumbianischen Armee
Interims-Polizeichef Léon Charles teilte mit, acht weitere Kolumbianer seien noch auf freiem Fuss. Drei seien getötet worden. Der kolumbianische Verteidigungsminister Diego Molano bestätigte kurz darauf, dass es sich um Staatsbürger seines südamerikanischen Landes handle. Die Hintergründe des Attentats blieben unklar.
Die mutmasslichen Verantwortlichen für die Ermordung von Moïse seien nach ersten Informationen ehemalige Angehörige der kolumbianischen Armee, sagte Molano in einem Video, das er auf Twitter veröffentlichte. Die Regierung in Bogotá habe Polizei und Armee angewiesen, sich an den Ermittlungen zu beteiligen.
Aufstand vor Festnahme
Die Festgenommenen waren bei der haitianischen Polizei mit angelegten Handfesseln auf dem Boden sitzend zu sehen. Manche von ihnen waren sichtbar verletzt. Auf einem Tisch lagen Gegenstände, die beschlagnahmt worden seien: mehrere automatische Waffen, Macheten, Vorschlaghammer, kolumbianische Reisepässe und Handys.
Mindestens zwei der Festgenommenen waren anscheinend von aufgebrachten Menschenmengen gefangengenommen worden, wie auf Videos in sozialen Medien zu sehen war. Zivilisten hatten laut Charles auch Fahrzeuge angezündet, die mutmasslich bei dem Attentat zum Einsatz kamen.
Auch First Lady schwer verletzt
Der 53 Jahre alte Staatschef Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seiner Residenz erschossen worden. Seine Ehefrau Martine wurde schwer verletzt und zur Behandlung in die gut 1000 Kilometer entfernte US-Stadt Miami gebracht. Die Zeitung «Le Nouvelliste» berichtete, Moïses Leichnam habe zwölf Einschusslöcher, zum Teil von grosskalibrigen Waffen.
Haitis Botschafter in den USA, Bocchit Edmond, hatte die Attentäter vor den Festnahmen als gut ausgebildete und schwer bewaffnete ausländische Söldner bezeichnet. Sie hätten sich als Agenten der US-Drogenbehörde DEA ausgegeben.
Die UN-Sonderbeauftragte für Haiti, Helen La Lime, sagte am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz, dass Haiti den UN-Sicherheitsrat um zusätzliche Sicherheitsunterstützung gebeten habe. Es war zunächst unklar, um was genau es sich dabei handeln soll.
Auch habe Haitis UN-Botschafter internationale Unterstützung bei den Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat angefragt. La Lime betonte, dass die Vereinten Nationen zu Hilfe bereit seien. Auch die USA sind nach Angaben der Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, dazu bereit. Voraussetzung sei, dass es eine formelle Bitte gebe.
Haiti im Macht-Chaos
Das Attentat hinterlässt ein Machtvakuum. Da eine für Oktober 2019 vorgesehene Parlamentswahl unter anderem wegen heftiger Proteste gegen Moïse ausgefallen war, gibt es dort seit Januar 2020 kein handlungsfähiges Parlament mehr. Moïse regierte seither per Dekret.
Erst am Montag hatte Moïse den Neurochirurgen Ariel Henry zum Interims-Premierminister ernannt. Den Titel hatte seit April Joseph inne, der allerdings mangels Parlament nie verfassungsmässig in dem Amt des Regierungschefs bestätigt wurde.
Weil Henry bisher nicht vereidigt wurde, erklärte sich Joseph zum amtierenden Interims-Premierminister. Er unterzeichnete einen Erlass, mit dem 15 Tage Belagerungszustand ausgerufen wurden. Damit können unter anderem die Befugnisse des Militärs erweitert und Rechte der Bürger beschnitten werden.
Moïse, der seit 2017 regierte, war äusserst unbeliebt. Ihm wurden Korruption, Verbindungen zu brutalen Banden und autokratische Tendenzen vorgeworfen. Proteste legten Haiti in den vergangenen drei Jahren immer wieder lahm. Zuletzt trieben blutige Kämpfe zwischen Banden um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt Tausende Menschen in die Flucht. Am 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum geplant. Joseph hat erklärt, an dem Datum festhalten zu wollen. (SDA)