Ungemach für Wladimir Putin (70). Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag hat einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten und seine Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa (38) erlassen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie lautet der Haftbefehl gegen Putin?
Der ICC bezichtigt Putin der rechtswidrigen Deportation von Kindern aus den besetzten Gebieten in die Russische Föderation. Es bestünden «hinreichende Gründe» für die Annahme, dass Putin für die als Kriegsverbrechen einzustufende Verschleppung «persönlich verantwortlich» sei.
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Wissenschaftler der Yale-Universität in den USA haben nachgewiesen, dass die russische Regierung seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine mindestens 6000 ukrainische Kinder verschleppt hat. Die Betroffenen sind im Alter von vier Monaten bis hin zu 17 Jahren. Die ukrainische Regierung sprach im März von mehr als 16'000 verschleppten Kindern.
Der Haftbefehl gegen den Kremlchef und seine Komplizin Lwowa-Belowa ist der erste im Zusammenhang mit mutmasslichen russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Was ist der ICC?
Der ICC ist ein Gerichtshof, der gegründet wurde, um Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu verfolgen. Er hat seinen Sitz in Den Haag, Niederlande, und ist das einzige permanente internationale Gericht, das zuständig ist, um Einzelpersonen, einschliesslich Staatsoberhäupter, für diese schweren Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.
Welche Länder sind Teil davon – und welche nicht?
Insgesamt 123 Länder, darunter alle EU-Nationen und die Schweiz, haben das Römer Statut unterzeichnet. Nicht mit von der Partie sind etwa China, Äthiopien, Indien, Indonesien, Irak, Nordkorea, Saudi-Arabien oder die Türkei. Russland, die USA und der Sudan haben die Anerkennung des Statuts wieder zurückgezogen.
«Wir erkennen dieses Gericht nicht an; wir erkennen seine Zuständigkeit nicht an», sagte der Sprecher von Putin, Dmitri Peskow (55), noch am Dienstagmorgen vor Journalisten in Moskau. Am Freitagabend bestätigt Peskow diese Aussage erneut.
Was droht Putin jetzt?
Wenn der russische Präsident Fuss in eines der 123 Vertragsstaaten setzt, wird er verhaftet. Alexander Hug (49), der bei der internationalen Kommission für vermisste Personen tätig war, erklärt Blick: «Die Bewegungsfreiheit des russischen Präsidenten wurde mit diesem Haftbefehl eingeschränkt.»
Ob Putin jemals hinter Gittern landet, bleibt abzuwarten. Denn ohne eine Verhaftung kann der ICC keinen Prozess gegen ihn beginnen, so Hug. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat der russische Präsident sein Land nur selten verlassen und noch keine westlichen Länder besucht. Dass sich das nun ändern wird, ist nicht abzusehen.
«Der Vorwurf des Internationalen Strafgerichtshofs der Deportation von Kindern wurde wohl gewählt, da man hier wahrscheinlich einige Beweise sichern konnte», erklärt Hug den Entscheid des ICC.
Wie reagiert die Ukraine?
Nach dem Erlass des Haftbefehls gegen Putin herrscht in der ukrainischen Führung Jubel. Der Top-Berater von Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski (44), Mychajlo Podoljak (51), twitterte: «Die Welt hat sich verändert. Das ist ein klares Signal an die Eliten der Russischen Föderation, was mit ihnen geschehen wird und warum es nicht wie früher sein wird. Es ist der Anfang vom Ende Russlands in seiner derzeitigen Form auf der Weltbühne.»
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba (41) äusserte sich ebenfalls auf Twitter: «Die Räder der Gerechtigkeit drehen sich: Ich begrüsse die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, Haftbefehle gegen Wladimir Putin und Maria Lwowa-Belowa wegen der gewaltsamen Verschleppung ukrainischer Kinder zu erlassen. Internationale Verbrecher werden für den Diebstahl von Kindern und andere internationale Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.»