Jetzt schaltet sich Den Haag ein. Der Internationale Strafgerichtshof hat gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) einen Haftbefehl erlassen. Dabei gehe es um mutmassliche Kriegsverbrechen, teilte der ICC am Freitagnachmittag mit. Im Visier der Strafverfolger steht unter anderem die mutmassliche Verschleppung von ukrainischen Kindern auf russisches Territorium.
Die Vorwürfe der Kindesentführung tauchten in den vergangenen Monaten immer wieder auf. Wissenschaftler der Yale-Universität in den USA haben herausgefunden, dass die russische Regierung seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine mindestens 6000 ukrainische Kinder verschleppt hat. Die Betroffenen sind im Alter von vier Monaten bis hin zu 17 Jahren.
Laut der Untersuchung sind die Kinder gezielt in Umerziehungslager entweder in Russland oder auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim gesteckt worden, manche auch in Adoptionszentren. Dort sollen sie in die Kultur, Geschichte und Gesellschaft Russlands eingeführt werden. Nebst patriotischem Unterricht erhalten sie offenbar teilweise auch eine akademische oder militärische Ausbildung.
«Kinder unter besonderem Schutz»
Die Verschleppung von Zivilpersonen ist gemäss internationalem Recht verboten. «Kinder stehen unter besonderem Schutz der Genfer Konvention», teilte der Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs Piotr Hofmanski (67) mit. Auch gegen Putins Kinderrechtsbeauftragte, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, sei Haftbefehl ergangen.
Die Russin wurde während des Kriegs bereits mehrfach scharf kritisiert. Ihr wird die Entführung und Zwangsvermittlung ukrainischer Kinder vorgeworfen. In den USA steht sie auf der Sanktionsliste.
Russland reagierte umgehend auf den Erlass des Haftbefehls. Maria Zacharowa (47), Sprecherin des Aussenministeriums, sagte: «Die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs haben für unser Land keine Bedeutung, auch nicht in rechtlicher Hinsicht. Russland hat die Haager Abkommen nicht ratifiziert und hat keine Verpflichtungen aus diesem Statut. Russland arbeitet nicht mit diesem Gremium zusammen, und mögliche Haftbefehle des Internationalen Gerichtshofs sind für uns rechtlich null und nichtig.»
Der genaue Text der Haftbefehle wird nicht veröffentlicht, um Opfer und Zeugen zu schützen, wie das Gericht mitteilte.