«Habe auf dem Boden geschlafen»
Schweizer kann nach Familienbesuch Gazastreifen nicht verlassen

Ibrahim Al-Qarnaoui lebt schon seit Jahrzehnten in der Schweiz. Als er seine Familie im Gazastreifen besucht, wird er vom Krieg überrascht. Nun steckt er trotz Schweizer Pass in Rafah fest, die Grenzen bleiben verschlossen.
Publiziert: 16.10.2023 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2023 um 10:37 Uhr
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In Rafah befindet sich der einzige Grenzübergang, der nicht von Israel, sondern von Ägypten kontrolliert wird.
Foto: IMAGO/APAimages

Er wollte nur für ein paar Tage seine Familie im Gazastreifen besuchen. Doch beim Wiedersehen geriet Ibrahim Al-Qarnaoui (77) mitten in einen Krieg: Die Hamas kontrolliert das Gebiet, Israel könnte jeden Moment eine Bodenoffensive starten. Gaza zu verlassen gestaltet sich schwieriger als gedacht.

Auch der Schweizer Pass hilft da nicht weiter. «Die Botschaft sagte uns am Samstag, wir sollten zum Grenzübergang Rafah kommen», sagt der Doppelbürger der Nachrichtenagentur AFP. In Rafah befindet sich der einzige Grenzübergang, der nicht von Israel, sondern von Ägypten kontrolliert wird. Ein Vertreter der US-Regierung sprach von einer Abmachung zwischen Ägypten und Israel, Ausländer aus dem Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah ausreisen zu lassen.

«Der Grenzübergang öffnete nicht»

Ägypten stellte jedoch Bedingungen: Das arabische Land lehnt es ab, den Grenzübergang nur für die Ausreise von Ausländern zu öffnen, wie ägyptische Medien mit guten Kontakten zum Geheimdienst unter Berufung auf hochrangige Quellen berichteten. Ägyptens Haltung sei klar: Es fordere die Einfuhr von Hilfsgütern in den Gazastreifen.

So blieb die erhoffte Rettung aus. «Der Grenzübergang öffnete nicht», berichtet Al-Qarnaoui. Da Israel den Gazastreifen weiterhin beschiesst, fuhr er vorerst nicht zurück zu seiner Familie. Sie leben nur etwa 40 Autominuten weiter nördlich, doch seit den Luftangriffen wage sich kein Taxi mehr auf die Strassen.

«Dieser Krieg ist anders»

Der 77-Jährige fand jemanden, der ihn in der Zwischenzeit bei sich beherbergt: «Wir haben alle auf dem Boden geschlafen, es war bitterkalt.» Dann habe ihn einer der Bewohner des Hauses am Montagmorgen zum Grenzübergang zurückgebracht. «Eine halbe Stunde später erfuhren wir, dass ihr Haus gerade bombardiert worden war.»

Es ist nicht das erste Mal, dass der Schweizer in seinen Ferien von einem Krieg überrascht wurde: Bereits den Krieg 2008 habe er hautnah erlebt. «Doch das war anders. Dieses Mal ist es ein völkermörderischer Krieg», erzählt Al-Qarnaoui. Wenn er das Kriegsgebiet nicht verlassen kann, will er zu seiner Familie zurückkehren. «Da können wir entweder alle zusammen leben, oder alle zusammen sterben.» (jl/AFP)

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