Putins Berater hätten Angst, ihm die Wahrheit zu sagen, sagte der Chef der britischen Geheimdienstbehörde GCHQ, Jeremy Fleming, bei einem Besuch in Australien. Dennoch müsse dem Kreml das Ausmass der Fehleinschätzungen klar sein. Zuvor hatte sich die US-Regierung ähnlich geäussert.
In Washington sagte die Kommunikationsdirektorin des Weissen Hauses, Kate Bedingfield, unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, Putin habe sich vom russischen Militär getäuscht gefühlt. Das verursache andauernde Spannungen zwischen dem Kremlchef und der militärischen Führung. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte, es sei Anlass zur Sorge, wenn Putin falsch oder nicht informiert sei über die Vorgänge in der Ukraine.
Chaos in der russischen Armee
Fleming sagte in Canberra, die russischen Streitkräfte seien zutiefst demoralisiert. «Wir haben gesehen, wie sich russische Soldaten – knapp an Waffen und Moral – weigerten, Befehle auszuführen, ihre eigene Ausrüstung sabotierten und sogar versehentlich ein eigenes Flugzeug abschossen.»
Es gebe logistische Fehler, viele russische Opfer sowie Chaos innerhalb der militärischen Führung. «Wir haben gesehen, wie Putin sein eigenes Volk belogen hat, um militärische Inkompetenz zu verbergen», sagte Fleming in seiner Rede an der Australian National University, die Government Communications Headquarters (GCHQ) in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichte.
Putin habe sowohl den Widerstand der Ukrainer als auch die Geschlossenheit des Westens und die Folgen der Sanktionen unterschätzt. «Er hat die Fähigkeiten seines Militärs überschätzt, einen schnellen Sieg zu erringen.»
Putin will Medien kontrollieren
Nun versuche Putin, die Fehler mit noch mehr Härte wettzumachen, auch in Russland selbst, sagte Fleming. «Er strebt nach brutaler Kontrolle über Medien und dem Zugang zum Internet, er strebt danach, die Stimmen der Opposition zu unterdrücken, und er investiert viel in Propaganda und verdeckte Aktivitäten.»
Pressefreiheit in Russland
Fleming sagte, es sei volle Absicht, dass westliche Geheimdienste zahlreiche Informationen freigeben. Damit solle sichergestellt werden, dass die Wahrheit gehört werde, sagte der Behördenchef. Vor allem britische und US-Geheimdienste hatten bereits vor Beginn der russischen Invasion in seltener Offenheit vor einem Angriff gewarnt und veröffentlichen seit Kriegsbeginn regelmässig Informationen.
(SDA)