Der russische Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow hat die Lage der Pressefreiheit in seinem Land als dramatisch beschrieben. Im «Interview der Woche» des Deutschlandfunks sagte der Chefredakteur der Zeitung «Nowaja Gaseta», die grösste Gefahr für Medienschaffende gehe vom Staat aus. Mehrere Online-Medien seien zuletzt zu «unerwünschten Organisationen» erklärt worden. Gleichwohl gebe es eine junge Generation an Journalisten, die sich nicht unterkriegen lasse.
Muratow sprach von einer neuen Generation, für die es sehr wichtig sei, sich für das Wohl der Gesellschaft einzusetzen. «Diese Leute wollen, dass sich das Leben in unserem Land zum Besseren verändert. Diese 20- bis 30-Jährigen geben nicht auf, viele von ihnen wollen nicht ausreisen, sie wollen Russland nicht verlassen.»
Zugleich verwies Muratow auf eine Reihe von Journalisten-Kollegen, die Russland hätten verlassen müssen, nachdem ihre Medien ins Visier der Behörden geraten waren. Insbesondere die Einstufung als «unerwünschte Organisation» erschwere unabhängigen Medien die Arbeit in Russland.
Die Menschen suchen Schutz und Hilfe bei den Medien
Seit Bekanntwerden seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis habe seine Zeitung hunderte Hilferufe von Russen erhalten, die sich etwa Medikamente nicht leisten könnten oder nach einem Gerichtsurteil ungerecht behandelt fühlten.
Die «Nowaja Gaseta» habe deshalb eine redaktionsinterne Gruppe gegründet, die sich mit den Hilferufen befasse. Zu sagen, dass eine Zeitung für solche Themen nicht zuständig sei, sei in Russland nicht möglich, betonte Muratow. «Weil einfach zu viele Menschen und deren Interessen im Parlament nicht vertreten sind. Somit suchen die Leute bei den Medien Schutz und Hilfe.»
Preisgeld wird an unabhängige Journalisten und erkrankte Kinder gespendet
Die Verleihung des Friedensnobelpreises findet am 10. Dezember in Oslo statt. Muratow hat angekündigt, einen Teil des Preisgeldes an die Stiftung Anna Politkowskaja für die Unterstützung unabhängiger Journalisten und einen weiteren Teil an eine Hilfsorganisation für an spinalem Muskelschwund (SMA) erkrankte Kinder zu spenden. Diese Stiftung war auf Anweisung von Russlands Staatschef Wladimir Putin gegründet worden.
Im Deutschlandfunk verteidigte Muratow die Entscheidung, einen Teil des Preisgelds an die SMA-Stiftung zu spenden. Seine Redaktion beschäftigte sich seit zwei Jahren mit der ungewöhnlichen Erkrankung, «bei der ein Kind seinen Körper sterben sieht». Der Präsident habe die Stiftung gegründet, damit Kinder behandelt werden. «Es wird nicht der Präsident behandelt, das muss doch auch ein Idiot verstehen», betonte Muratow.
(AFP)