Hier umarmt Noa Argamani ihren Vater
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Hamas-Geisel ist frei:Hier umarmt Noa Argamani ihren Vater

Gewagte Befreiungsaktion von israelischen Elitetruppen hätte «um Haaresbreite» scheitern können
Noa Argamani (25) ist nach acht Monaten Hamas-Geiselhaft ungebrochen

Es waren dramatische Szenen, wie vier Geiseln am Samstag aus acht Monaten Hamas-Haft befreit wurden. Den Geretteten flogen Kugeln um die Köpfe. Ein Fahrzeug blieb stecken. Die Mission hätte «um Haaresbreite» scheitern können. Ex-Geisel Noa (25) gibt erste Details preis.
Publiziert: 09.06.2024 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 10.06.2024 um 11:54 Uhr
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Vorher (l.) und nachher: Trotz acht Monaten in Geiselhaft der radikalislamistischen Hamas scheint die am Samstag befreite junge Israeli Noa Argamani in gutem Zustand.
Foto: X
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Irgendwie hatte sie es geschafft, in acht Monaten Hamas-Geiselhaft nicht den Mut und Lebenswillen zu verlieren. Nach einer gewagten Befreiungsaktion durch israelische Elitetruppen konnte Noa Argamani (25) am Samstag endlich wieder ihren Vater in die Arme schliessen. In sichtlich gutem Zustand. Noa kann wieder lachen – und erzählt schon über ihre Geiselhaft. Auch den mit ihr befreiten männlichen Geiseln Almog Meir Jan (23), Andrey Kozlov (27) und Shlomi Ziv (40) scheint es vergleichsweise gutzugehen.

Am 7. Oktober 2023 waren Bilder um die Welt gegangen, die Noa zeigten, wie sie von Hamas-Schergen auf einem Töff vom Supernova Musikfestival entführt wurde. In den Augen der jungen Frau glühte Verzweiflung. Noa schrie und wehrte sich wild. Sie hatte keine Chance gegen die Männer.

Noch gibt es bloss spärliche Details, welche Torturen Noa und ihre Mitbefreiten in der monatelangen Geiselhaft durchmachen mussten. Anfangs war sie zusammen mit der Israeli Moran Stella Yanai (40) in Hamas-Gefangenschaft. Yanai kam bereits im November frei. Nach ihrer Freilassung deutete sie sexuellen Missbrauch durch ihre Peiniger in Gaza an. «Ich muss mich distanzieren», sagte Yanai nur.

Tageslicht kaum gesehen

Noch am ersten Tag ihrer Befreiung hat Noa jetzt Einblicke in ihre Zeit als Hamas-Geisel gegeben. Das Haus, aus dem sie gerettet wurde, gehörte offenbar einer wohlhabenden Familie in Gaza. Sie habe die Familie immer überreden müssen, sie duschen zu lassen. Essen habe man ihr gegeben, wenn sie darum gebeten habe, berichtet Channel 12. Das Tageslicht habe sie kaum gesehen.

Von der Familie habe sie etwas Arabisch gelernt. Der Familienvater habe ihr versichert, dass sie «von Gott gesegnet» sei, von seiner Familie festgehalten zu werden.

In dem Bericht des israelischen TV-Senders heisst es weiter, dass sich Noa in guter körperlicher und geistiger Verfassung befinde. Sie lächle «von Ohr zu Ohr».

Herzenswunsch erfüllt: Besuch bei todkranker Mutter

Noas Mutter leidet an Krebs im Endstadium. Es sei der grösste Herzenswunsch von Mutter und Tochter gewesen, sich noch einmal zu sehen, berichten israelische Medien. Nach dem achtmonatigen Geisel-Horror ging dieser Wunsch in Erfüllung.

Die ganze Familie sei wieder vereint, meldet das Newsportal Ynet. Noas Mutter Liora (61) hat einen Hirntumor im vierten Stadium. Die Mutter sei zwar nicht jeden Moment geistig anwesend. Aber sie habe verstanden, dass ihre Tochter wieder da sei – im wohl wirklich letzten Moment.

Operation am helllichten Tag

Nach und nach werden auch Details zur hochriskanten Befreiungsaktion am Samstag bekannt. Ein israelischer Offizier kam dabei ums Leben. Bei der Blitzaktion am helllichten Tag stürmten Spezialeinheiten zwei Gebäude, in denen palästinensische Familien die Geiseln festhielten. Die Gebäude liegen rund 200 Meter voneinander entfernt. Es kam zu Kämpfen.

Das Fahrzeug mit den geretteten Geiseln geriet unter Beschuss und blieb im Gazastreifen stecken, berichtet die «Times of Israel». «Andere Einsatzkräfte waren schnell zur Stelle, um sie zu retten, und brachten sie zu einem improvisierten Helikopterlandeplatz, von wo aus sie in ein Spital in Zentralisrael geflogen wurden.»

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Mission hätte «um Haaresbreite» scheitern können

Laut israelischen Militärquellen hätte die gefährliche Mission «um Haaresbreite» scheitern können. Der Aktion war akribische Planung vorausgegangen. Zur Tarnung kamen die Soldaten in einem lokalen LKW mit Gaza-Kennzeichen.

Noa war von ihren Hamas-Wächtern allein im Haus einer palästinensischen Familie gefangen gehalten worden. Die drei anderen Geiseln wurden in einem anderen Haus festgehalten. Es ist laut Israels Militär üblich, dass die Hamas Familien für das Verstecken von Geiseln in ihren Häusern bezahlt.

In diesem zweiten Gebäude kam es zu einem schweren Feuergefecht, bei dem der Polizist Arnon Zamora (†36), der Kommandant des Rettungsteams, lebensgefährlich verletzt wurde und später seinen Verletzungen erlag. Der Name der Rettungsmission wurde zu Ehren des getöteten Offiziers von «Samen des Sommers» in «Operation Arnon» geändert.

Hoher Blutpreis für Befreiung

Während des Einsatzes wurden zahlreiche Schüsse und Granaten auf die Rettungskräfte abgefeuert. Alle bislang aus Gaza befreiten Geiseln – auch die vier am Samstag – wurden aus Gebäuden gerettet, und nicht aus dem riesigen Tunnelnetz der Hamas.

Zum Schutz der Geiseln und der Rettungskräfte führte israelische Bodentruppen und die Luftwaffe Angriffe gegen die Gebiete durch, wo Hamas-Kämpfer das Feuer eröffneten. Dutzende Menschen starben bei der Aktion. Die Hamas sprach von 210 Opfern, darunter angeblich auch weitere Geiseln. Israel meldete knapp 100 palästinensische Tote, darunter Zivilopfer.

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