Deutschland steckt also mitten in der Omikron-Welle.Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag einen neuen Höchstwert bei der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland. Der Wert der Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner und Woche lag in Deutschland am Sonntagmorgen bei 515,7 - und damit erstmals über der Schwelle von 500. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert im nördlichen Nachbarn bei 497,1 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 362,7 (Vormonat: 422,3).
Die neue Variante des Coronavirus ist laut mehreren Forschenden weltweit zwar ungefährlicher als die Delta-Variante, doch dafür umso ansteckender. Auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (58, SPD) zeigt sich im Gespräch mit der «Sonntagsbild» weiterhin besorgt.
Durchseuchung in Deutschland kein Thema
Zwar weiss auch er um die Studien Bescheid, die das geringere Risiko einer Krankenhauseinweisung durch eine Omikron-Infektion beschreiben. Doch ein Grund zur Freude ist diese Neuigkeit für ihn keineswegs: «Das rettet uns aber nicht, wenn die Zahl der Infektionen zu hoch wird. Auch ist nicht sicher, dass diese Risikosenkung auch für ältere Ungeimpfte gilt. Ich warne daher dringend davor, Omikron zu unterschätzen.» Man müsse «mit aller Kraft» einen Anstieg wie in Frankreich oder Grossbritannien in Deutschland vermeiden.
«Wenn wir alles laufen lassen, stehen wir vor einer Infektionswand. Doch die können wir zum Hügel oder zumindest zu einer kleineren Wand machen», erklärt er. So wäre das Gesundheitssystem der Bundesrepublik «zu keinem Zeitpunkt» überfordert. Mit den aktuellen Massnahmen, welche in Deutschland gelten, sei diese Wende auch gut machbar, so Lauterbach. Ein Lockdown solle unbedingt vermieden werden.
Eine Durchseuchung komme für ihn aber auch nicht infrage. «Eine Durchseuchung bedeutet, dass Hunderttausende schwer krank werden und wir wieder viele Tausend Corona-Tote beklagen müssen. Bei uns sind drei Millionen Menschen über 60 ungeimpft. Das ist jeder Achte.» England hingegen könne in dieser Altersgruppe eine Impfquote von 95 Prozent aufzeigen. Lauterbach zieht einen heftigen Vergleich: «Weltweit vergleichbar ist diese Mischung aus Unvernunft und Alter zum Beispiel mit dem Süden der USA.»
Lauterbach sieht noch kein Ende der Pandemie
Der Gesundheitsminister pocht nochmal auf die Wichtigkeit der Corona-Impfung – denn vollständig Geimpfte seien «gegen alle Corona-Varianten geschützt». Auch wenn weitere Corona-Mutante auftauchen, seien dreifach Geimpfte gut geschützt. «Die Wissenschaftler weltweit sind sich da sehr einig», ist sich Lauterbach sicher.
Ein Ende der Pandemie durch Omikron sieht er aber nicht. Er findet klare Worte, um diese Behauptung zu dementieren: «Das Varianten-Alphabet wird nicht mit Omikron enden. Es gibt keinen einzigen mir bekannten namhaften Wissenschaftler, der behauptet, dass Omikron das Ende von Corona ist.» Und er warnt: Auch wenn man sich jetzt mit Omikron infiziere, hätte man im Herbst keinen Schutz mehr.
«Die Delta-Variante verändert sich gerade. Es ist gut möglich, dass wir es im Herbst mit einem mutierten Delta-Typ zu tun bekommen», gibt er zu bedenken. «Wer jetzt als Ungeimpfter an Omikron erkrankt, hätte im Herbst gegen eine neue Delta-Variante wahrscheinlich einen Infektionsschutz von deutlich unter 50 Prozent». Für Lauterbach ist klar: «Es führt daher kein Weg an der Impfung vorbei.» (chs)