Gesamte Familie verhaftet
Ex-Spion Emran Nawrusbekow versetzt den FSB in Aufregung

Wer als russischer Spion vor seiner Aufgabe flüchtet, lebt gefährlich. Emran Nawrusbekow erzählte seine Geschichte in einem Interview – und riskiert dafür sein Leben und das seiner Familie.
Publiziert: 01.01.2023 um 20:02 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2023 um 09:01 Uhr
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Emran Nawrusbekow war russischer Spion.
Foto: Twitter / @igorsushko

Emran Nawrusbekow (39), Oberleutnant der Spionageabwehr des russischen Geheimdiensts FSB, sollte für den russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) «an einer Sonderoperation gegen aus Russland geflohene und gesuchte Bürger der Russischen Föderation» in der Türkei und in Syrien teilnehmen. Dafür erhielt er einen Reisepass – direkt vom Kreml ausgestellt.

Doch anstatt Folge zu leisten und seine Mitbürger dem russischen Staat auszuliefern, flüchtete Nawrusbekow und beantrage in Polen politisches Asyl, wie die Menschenrechtsorganisation «Gulagu.net» in einem zweistündigen Interview mit dem Agenten erfuhr. Nun wurde seine in Russland lebende Familie vom FSB verhaftet – um ihn zum Schweigen zu bringen?

«Der FSB kontrolliert alle kriminellen Aktionen»

Die Repressionen gegen seine Verwandten seien vom «Zentralapparat» eingeleitet worden, nachdem er öffentlich über die Verbrechen des FSB ausgesagt habe, so Nawrusbekow in dem Appell. Denn durch seine hohe Position im russischen Geheimdienst verfügt Nawrusbekow über eine Goldgrube an heiklen Informationen, die den russischen Staat in grosse Schwierigkeiten bringen könnten.

Vor allem in den russischen Republiken Dagestan und Tschetschenien soll der FSB mit Desinformationskampagnen aktiv sein, so der ehemalige Spion. «Im Wesentlichen kontrolliert der FSB alle kriminellen Aktivitäten in diesen Regionen.» Als im Sommer 2013 Bombenanschläge auf Spirituosengeschäfte in Machatschkala, der Hauptstadt der Republik Dagestan, verübt wurden, hat Russland muslimischen Extremisten die Schuld in die Schuhe geschoben – doch angeblich steckt der FSB selbst dahinter.

Und nicht nur das: Der FSB entführt, foltert und erpresst laut Nawrusbekow Geschäftsleute, die ein Lösegeld zahlen können. Zu diesem Zweck verfüge der FSB in der gesamten Region über eigene Folterkammern. So wurde beispielsweise der niederländische humanitäre Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen, Arjan Erkel (52), 2004 in Machatschkala entführt und verbrachte 607 Tage in Gefangenschaft, bis ein Lösegeld gezahlt wurde – ein Werk des FSB, wenn man den Worten Nawrusbekows Glauben schenkt.

Fahnenflucht wird mit Gefängnis bestraft

Um das Interview zu führen, setzt Nawrusbekow sein Leben und das seiner Familienmitglieder aufs Spiel – doch das sei es ihm wert. Denn er wolle die «Fäulnis» der russischen Regierung publik machen. Als Nawrusbekow anderen FSB-Offizieren anbot, überzulaufen, sagten sie ihm alle, dass ihr Eid auf das Land wichtiger sei – und dass sie Familien in Russland hätten. Einige haben offensichtlich Angst, andere scheinen nur darauf zu warten, dass etwas passiert.

Wer sich in Russland gegen das Regime ausspricht, wird zum «Extremisten» erklärt, und seine Kinder dürfen keine Schule oder Universität besuchen, erklärt der ehemalige Geheimdienstler im Interview. Doch es kann auch noch schlimmer kommen, wie das Beispiel von Ramazan Rasulow zeigt.

Der gut informierte Kreml-Kenner Igor Suschko fasst weitere Informationen aus dem Interview auf Twitter zusammen. Laut Ex-Spion Nawrusbekow war Rasulow im Begriff, seine Flucht aus den Zwängen des russischen Geheimdiensts vorzubereiten und mit über 250 Gigabyte Beweismaterial nach Grossbritannien zu flüchten, als er erwischt wurde. Rasulow wurde zunächst zu Verhören nach Machatschkala in Dagestan geschickt und befindet sich nun im FSB-Gefängnis Lefortowo in Moskau, so Nawrusbekow. Rasulow habe seit 2014, als er erstmals in den ukrainischen Donbass geschickt wurde, akribisch Beweise gesammelt, um den russischen Geheimdienst zu überführen. Wie es ihm jetzt geht, ist unklar.

Der russische Geheimdienst FSB und die russische Regierung wollten sich gegenüber «Gulagu.net» nicht zu den Anschuldigungen äussern. (chs)

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