Geiselhalter mit der ganzen Familie
Hielt Al-Jazeera-Journalist Geiseln zu Hause fest?

Bei der Befreiungsaktion von Geiseln am Samstag im Gazastreifen wurden offenbar mehrere Mitglieder einer palästinensischen Familie getötet, die die Geiseln in ihrem Haus gefangen hielt. Der Sohn der Familie war offenbar Journalist, der Vater Arzt.
Publiziert: 10.06.2024 um 03:51 Uhr
|
Aktualisiert: 10.06.2024 um 07:35 Uhr
1/6
Porträtbilder der drei männlichen Geiseln, die am Samstag aus ihrer Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurden.
Foto: DUKAS
new.jpg
Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Unbeabsichtigt gab ein palästinensischer Menschenrechtsaktivist am Samstag Informationen preis, die er im Nachhinein wohl lieber verschwiegen hätte: Nach der dramatischen Geiselbefreiung am Samstag im Gazastreifen schrieb der Leiter eines Genfer NGOs auf X, dass israelische Soldaten in das Haus einer Familie namens Al-Jamal eingedrungen seien und dort mehrere Familienmitglieder getötet hätten. Aus diesem Haus wurden dann drei Geiseln befreit – Almog Meir Jan (23), Andrey Kozlov (27) und Shlomi Ziv (40). Nur, dazu sagte der Aktivist mit rund 150'000 Followern auf X kein Wort.

«Die Soldaten richteten die 36-jährige Fatima Al-Jamal sofort hin, als sie sie auf der Treppe antrafen», schrieb Ramy Abdu, Gründer und Vorsitzender der Genfer Organisation Euro-Med Monitor, auf X. «Dann stürmten die Truppen das Haus und erschossen ihren Ehemann, den Journalisten Abdullah Al-Jamal, 36, und seinen Vater, Dr. Ahmed, 74, vor den Augen seiner Enkelkinder. Die Armee verletzte auch seine Tochter Zainab, 27, schwer.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Abdu veröffentlichte mit dem Beitrag ein Bild, das angeblich eines der gestürmten Zimmer im Haus der Al-Jamals zeigt. Er erwähnte aber nicht, dass in dem Haus Geiseln festgehalten worden seien. Die am Samstag ebenfalls gerettete Noa Argamani (25) übrigens war aus einem nahe gelegenen Gebäude befreit worden.

Al Jazeera dementiert

Besonders der Name von Abdullah Al-Jamal ist kein unbekannter im israelisch-palästinensischen Konflikt. Er ist ein ehemaliger Sprecher der Hamas und machte sich als Journalist einen Namen. Rasch machte das Gerücht die Runde, dass Al-Jamal für Al Jazeera gearbeitet habe, was der katarische Newssender kategorisch dementierte.

Der bei der Militäroperation getötete Mann sei «eine Zeit lang als freier Journalist tätig» gewesen, zitierte der israelische TV-Sender i24NEWS einen Sprecher von Al Jazeera. Al-Jamal habe «nie für Al Jazeera gearbeitet», sagt er. «Er ist sicherlich in keiner Weise ein Al-Jazeera-Journalist.»

Dies, obwohl die Website von Al Jazeera Al-Jamal weiterhin mit Profilbild und der Schreibweise «Abdallah Aljamal» als Autor aufführt, der «häufig» von den Unruhen an der Grenze zum Gazastreifen in den Jahren 2018 und 2019 berichtet habe.

Geiselhalter und Journalist

Daraufhin meldete die israelische Armee, dass Al-Jamal früher Sprecher des von der Hamas geführten Arbeitsministeriums in Gaza gewesen sei. Zudem habe er für verschiedene Nachrichtenagenturen gearbeitet.

Während des Krieges im Gazastreifen veröffentlichte Al-Jamal demnach mehrere Artikel in der Zeitschrift «Palestine Chronicle». Dies offenbar auch während der Zeit, als in seinem Haus die drei Geiseln gefangen gehalten wurden.

«Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Terrororganisation Hamas die Zivilbevölkerung als menschlichen Schutzschild benutzt», so eine Erklärung der israelischen Streitkräfte (IDF).

Geld für Geiselbewachung

Wie das Newsportal «Jewish Chronicle» berichtet, bezahlt die Hamas palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen knapp 20 Dollar pro Tag für die Bewachung von israelischen Gekidnappten. Dies sagte letzte Woche eine bereits im November freigelassene Geisel.

Ada Sagi (75) war am 7. Oktober aus ihrem Haus im Kibbutz Nir Oz entführt worden. Ende November kam sie im Rahmen des Deals «Geiseln gegen Waffenstillstand» frei. Auf die Frage des israelischen Newssenders Channel 12, was eine Familie mit Kindern in Gaza dazu bewegen würde, Juden gefangen zu halten, antwortete Sagi: «Geld.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?