Geheimdienste fluten die Schweiz und Europa mit Agenten und Cyberangriffen
So tarnen sich russische und chinesische Spione

Fast täglich fliegt in Europa ein Spion auf. Ein beunruhigender Fall ist der chinesisch-stämmige Mann, der das EU-Parlament als enger Mitarbeiter eines AfD-Politikers ausspioniert hat. Wir zeigen, wie gross die Bedrohung ist und wie erfinderisch die Geheimdienste sind.
Publiziert: 24.04.2024 um 18:57 Uhr
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Aktualisiert: 25.04.2024 um 11:18 Uhr
In Dresden hat die Polizei den Mitarbeiter von AfD-Politiker Maximilian Krah verhaftet. Der Verdächtige soll das EU-Parlament ausspioniert haben.
Foto: DUKAS
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Guido FelderAusland-Redaktor

Die Spione sind überall. Am Dienstag wurde in Deutschland ein Mann chinesischer Herkunft verhaftet. Jian G.* (43) soll als langjähriger Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah (47) das EU-Parlament ausspioniert haben. Am selben Tag wurden in Grossbritannien zwei Männer angeklagt, die «Artikel, Notizen, Dokumente oder Informationen» nach Peking geliefert haben sollen.

Ein paar Tage zuvor hatte die Polizei in Bayern zwei Personen festgenommen, die für Russland spioniert und Angriffe auf Militäranlagen geplant haben sollen. Auch die Schweiz hatte ihren Spionagefall: Ein Chinese hatte offenbar das Hotel Rössli in Meiringen BE gekauft, um den nahe gelegenen Militärflugplatz zu beobachten, wo ab 2027 die neuen F-35 starten und landen werden. Doch wie gefährlich sind solche Agenten?

Der Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat chinesische und russische Spione zuoberst auf dem Radar. «China verfügt in der Schweiz über Dutzende Nachrichtendienstangehörige, die als Botschafts- oder Konsulatsmitarbeitende getarnt sind», sagt NDB-Sprecher Nicolas Kessler gegenüber Blick auf Anfrage. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die chinesischen Nachrichtendienste im Vergleich zu den russischen in höherem Ausmass nicht-diplomatische Tarnungen nutzen. Kessler: «Ihr Personal tarnt sich vor allem als Wissenschaftler, Journalisten oder Geschäftsleute.»

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Maximilian Krah hat seinen Mitarbeiter entlassen. Er bleibt Spitzenkandidat für die EU-Parlamentswahlen im Juni.
Foto: Getty Images

Uni-Verbot für Chinesen

Diese Tarnung führt dazu, dass etwa die bayerische Universität Erlangen-Nürnberg chinesische Studenten mit staatlichem Stipendium ausgeschlossen hat. Diese Stipendien basieren auf Verträgen, nach denen die Doktoranden Staatstreue zusichern, Anweisungen der Botschaft befolgen und über Personen Auskunft geben müssen.

Die noch grössere Bedrohung geht laut NDB zurzeit von russischen Nachrichtendiensten aus. Die Schweiz gilt sogar als Tummelplatz russischer Spione – dies, weil die Schweiz zahlreiche internationale Organisationen vereint. Laut NDB sind in den diplomatischen und konsularischen Vertretungen in Bern und Genf immer noch 220 Russen tätig, davon mindestens ein Drittel unter «diplomatischer Tarnung» für russische Nachrichtendienste.

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Spione kommen als Flüchtlinge

Laut dem Historiker und Geheimdienstexperten Adrian Hänni vom Austrian Center for Intelligence, Propaganda und Security Studies in Graz (Ö), hat sich das Ausmass und die Intensität der Spionage im Verlauf des letzten Jahrzehnts erhöht. «Es liegt heute mindestens auf dem Niveau, auf dem es zur Zeit des Kalten Krieges war.»

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine stellen europäische Nachrichtendienste fest, dass der Kreml Spione als Flüchtlinge einschleust und echte Flüchtlinge zu Spionen ausbildet. Aus diesem Grund hat Finnland seine Grenze zu Russland komplett geschlossen.

Geheimdienste werden erfinderisch

Wegen der Sanktionen wird es für Russland immer schwieriger, in Europa zu spionieren. Daher rechnet der NDB damit, dass die russischen Dienste gezwungen sind, ihre Offiziere als nicht-russische Staatsangehörige zu tarnen, nicht-russische Agenten zu rekrutieren und mit Nachrichtendiensten von freundlich gesinnten oder gar abhängigen Staaten zusammenzuarbeiten.

Zwar sei die klassische Spionage mit menschlichen Agenten nach wie vor zentral, sagt Hänni. Immer mehr werde allerdings moderne Technik wie Satelliten und Künstliche Intelligenz eingesetzt. Hänni: «Der geheime Zugang zu digitalen Infrastrukturen wie 5G, Glasfaserkabel, dem Internet of Things oder Plattformen wie TikTok wird in den nächsten Jahren noch wichtiger werden.»

Botschaft reagiert verärgert

Was sagt die chinesische Botschaft in Bern zu den Vorwürfen? «Völlig aus der Luft gegriffen», hält die Presseabteilung auf Anfrage von Blick fest. Diese Spekulationen würden böswillig verbreitet, nur um China zu diffamieren sowie die Kooperation zwischen China und Europa zu sabotieren. «Wir möchten betonen, dass China nach wie vor den Prinzipien des gegenseitigen Respekts und der Nichteinmischung verfolgt.»

Mareike Ohlberg, die bei der US-Stiftung German Marchall Fund in Berlin zum Einfluss Chinas auf Demokratien forscht, sagt auf tagesschau.de: «China streitet bei solchen Vorwürfen grundsätzlich immer alles ab. Wir wissen, dass China spioniert und das auch relativ systematisch tut.» Sie geht davon aus, dass die bekannten Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind und es viele Fälle gebe, die bisher nicht entdeckt oder kommuniziert worden sind.

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