«Gefängnis hat mir das Leben gerettet»
Mann sass 22 Jahre lang unschuldig im Knast – trotzdem ist er dankbar

Calvin Buari sass 22 Jahre lang unschuldig im Gefängnis. Trotz allem ist er dankbar für die Zeit in Haft. Warum das so ist, hat er jetzt verraten.
Publiziert: 07.10.2024 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2024 um 13:28 Uhr
Calvin Buari sass 22 Jahre lang unschuldig im Gefängnis. Er ist aber dankbar dafür. Sonst wäre er vermutlich tot, glaubt er.
Foto: Bebeto Matthews/AP/KEYSTONE

Auf einen Blick

  • Calvin Buari wurde nach 24 Jahren unschuldig freigelassen
  • Er bildete sich im Gefängnis weiter und kämpfte für Gerechtigkeit
  • Über 7 Millionen US-Dollar Schadensersatz nach Freilassung
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Johannes HilligRedaktor News

Er liebte Luxus. Rolex am Handgelenk, Goldketten um den Hals und Designerklamotten. So stolzierte Calvin Buari (53) in den 90er-Jahren durch sein Viertel. Als Drogendealer machte er damals viel Geld – und das zeigte er auch gerne. «Ich war jung und dumm», sagt Buari zu CNN. Dass er deswegen mal ins Gefängnis wandern könnte, war dem Dealer schon irgendwie klar. Doch es kam ganz anders. Die Nacht vom 10. September 1992 veränderte sein Leben, wie er im Podcast «The Burden: Empire on Blood» erzählt.

Zwei Brüder wurden in ihrem parkierten Auto erschossen. Der Schütze flüchtete. Die Polizei tappte im Dunklen. Das Drogengeschäft war hart umkämpft. Und die Gegner von Buari nutzten ihr Chance. Sie machten Falschaussagen und behaupteten, dass sie genau gesehen hatten, wie Buari das Feuer auf die beiden Männer eröffnet hatte. Beweise dafür gab es keine. Doch die falschen Zeugenaussagen reichten der Staatsanwaltschaft für eine Anklage und einer Jury für eine Verurteilung. 1995 wurde Buari wegen zweifachen Mordes verurteilt. 50 Jahre Gefängnis! 

Er bildete sich weiter und suchte sich Hilfe

In den ersten Jahren nach seiner Verurteilung verkaufte Buari im Gefängnis Drogen und wurde von einer Einrichtung in die andere verlegt. Doch Anfang der 2000er wurde ihm klar, dass er im Gefängnis sterben würde, wenn er sein Leben nicht änderte. Er begann, für seine Freiheit zu kämpfen, und nahm Kontakt zu Aktivisten auf, die in Fälle von Fehlurteilen verwickelt waren. Er schrieb auch Briefe an zahlreiche Anwälte.

Das Internet habe ihm während seiner Haft Zugang zu Informationen verschafft und ihm geholfen, sich weiterzubilden, so Buari. Mit Erfolg: Er machte 2007 seinen Abschluss online und begann, virtuelle Kurse in Strafrecht zu belegen.

«Mein Fall war für mich ein Anreiz, mein Zertifikat als Rechtsanwaltsgehilfe zu machen, im Gefängnis juristische Kurse zu belegen, das Gesetz zu lernen und herauszufinden, wie ich nach Hause kommen könnte», sagt er.

Sein Anwalt starb nach Antrag auf Aufhebung des Urteils

Gleichzeitig kam Bewegung in seinen Fall. 2003 gestand ein anderer Drogendealer, der wegen eines anderen Mordes im Gefängnis sass, den Mord an den Brüdern. Später widerrief er seine Aussage, und das Gericht lehnte es ab, Buaris Verurteilung aufzuheben.

Der Fall kam mehrere Jahre lang nicht voran, da Buari Schwierigkeiten hatte, Anwälte zu finden, die ihn vertreten. Dann heuerte er Myron Beldock an, einen legendären Bürgerrechtsanwalt. Beldock hatte bereits dabei geholfen, andere prominente Mandanten zu entlasten, darunter den Boxer Rubin Carter (1937–2014) und die Central Park Five.

Doch nachdem Beldock einen Antrag auf Aufhebung von Buaris Urteil gestellt hatte, starb er 2016 – und der Fall war wieder in der Schwebe. Schliesslich erklärte sich Anwalt Oscar Michelen, der in einigen Fällen mit Beldock zusammengearbeitet hatte, bereit, Buari zu vertreten.

«Ich werde diesen Moment nie vergessen»

Sein Kampf um Gerechtigkeit erhielt neuen Schwung, als bei einer Anhörung im Jahr 2017 drei neue Zeugen aussagten. Zwei von ihnen identifizierten den anderen Drogendealer als den Schützen, während eine dritte Person sagte, sie sei mit Buari in der Nähe der Strasse gewesen, als sie die Schüsse hörten. Sie sagte, sie habe nicht gewusst, dass er wegen der Morde verurteilt worden war, bis sie Jahre später einen Nachrichtenbericht über den Fall sah. Am 8. Mai 2017 war es dann so weit: Buari kam aus dem Knast. «Ich werde diesen Moment nie vergessen. Es fühlte sich unwirklich an. Seit meinem 24. Lebensjahr war ich im Gefängnis.»

Trotz allem: Er ist dankbar für die Zeit im Gefängnis. Der Ex-Knacki ist davon überzeugt, dass er, wenn er weiter als Drogendealer auf der Strasse gewesen wäre, heute nicht mehr leben würde. Zu gefährlich sei das Leben damals gewesen.

Über 7 Millionen Schadenersatz

«Der Gefängnisaufenthalt hat mir das Leben gerettet. Er hatte bei mir den Schmetterlingseffekt. Vor dem Gefängnisaufenthalt war ich wie eine Raupe. Dann, als ich im Gefängnis war, musste ich mein Leben umkrempeln und versuchen, produktivere Dinge zu tun. Ich musste das Potenzial in mir selbst erkennen», sagt er. Und weiter: «Das war meine Kokonphase. Und jetzt, wo ich draussen bin, fühle ich mich wie in der Schmetterlingsphase.»

Nach seiner Entlassung verklagte Buari die Stadt und bekam insgesamt über 7 Millionen US-Dollar als Wiedergutmachung zugesprochen. Grundbucheinträgen zufolge hat er in Immobilien in New York und Texas investiert und besitzt ausserdem ein Millionen-Dollar-Haus in einem Vorort von Houston, wo er die meiste Zeit verbringt. Inzwischen ist er auch erfolgreicher Unternehmer. Sein Leben hat sich wieder komplett gewandelt.

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