Mangels schwerem Kriegsgerät hat Russland bereits T-62-Panzer an die Front in der Ukraine geschickt. Nicht, dass der 40 Tonnen schwere T-62 mit seiner einfachen Stahlpanzerung und der 115-Millimeter-Kanone kein guter Panzer sein könnte. Das war er vor einem halben Jahrhundert bestimmt. Doch schon die Sowjets hatten den T-62 in den 80er Jahren ausgemustert. In Russland sollen etwa 10'000 dieser alten Panzer lagern, auch der T-72-er und T-80er Baureihen. Sie stehen seit Jahrzehnten im Freien und sind den Elementen und auch Plünderern ausgesetzt. Ihre Gummidichtungen sind spröde, die Elektronik ist korrodiert, die Optik trüb.
Gleiches gilt wohl auch für einen noch älteren Uraltpanzer, den die Russen jetzt offenbar an die Front holen: den Amphibien-Truppentransporter BTR-50, der in der Sowjetunion von 1952 bis 1970 produziert worden war. Russische Militärblogger verbreiteten am 23. Februar Bilder, auf denen ein Konvoi von Panzerzugmaschinen zu sehen ist, die BTR-50 aus einem Depot transportieren. Diese Sowjet-Panzer sind so alt wie der am 7. Oktober 1952 geborene russische Präsident Wladimir Putin: 70 Jahre.
Unbestätigten Berichten zufolge sollen die Panzer nahe Saporischschja verlegt werden. Das genaue Einsatzgebiet bleibt unklar. Klar dagegen ist: Die russischen Streitkräfte bekunden offenbar grösste Mühe, Panzer zu ersetzen, die bei früheren gescheiterten Offensiven verloren gingen. Die Ukrainer zerstörten und kaperten zahlreiche. «Das beobachtete Fehlen mehrerer Panzereinheiten in der Ukraine deutet darauf hin, dass das russische Militär weiterhin Schwierigkeiten hat, gepanzerte Ausrüstung, insbesondere Panzer, zu ersetzen, die bei früheren gescheiterten Offensivoperationen verloren gingen», analysiert das nachrichtendienstliche Infoportal «Critical Threats». Das Portal wertet nicht klassifizierte Informationen aus, um eine kontinuierliche Bewertung der Bedrohungen für die USA und ihre Verbündeten vorzunehmen.
Kamikaze-Missionen?
«Der Einsatz alter sowjetischer Panzerfahrzeuge aus den Lagern ist ein weiteres Indiz dafür», fährt die Analyse fort, «dass den russischen Streitkräften die notwendige gepanzerte Ausrüstung fehlt, um in der gesamten Ukraine moderne mechanisierte Angriffe durchzuführen.»
Die Rote Armee hatte den BTR-50 für den Transport von bis zu 20 Soldaten und Ausrüstung eingesetzt. Russische Infanterie dürfte nicht zu erpicht auf Einsätze im veralteten Truppenpanzer sein. So kann das Fahrzeug nicht wie heute über eine Heckklappe verlassen werden, sondern nur über eine Dachluke – weshalb der BTR-50 auch «Todesfalle» genannt wird. Seine Panzerung besteht zudem nur aus Stahl und nicht mehrschichtigen Kompositmaterialien wie heute.
Die russischen Militärblogger reiben sich erstaunt die Augen. Um «modernstes Kriegsgerät», von dem Moskau gerne spricht, handelt es sich bei dem Kampffahrzeug keinesfalls. Militärbeobachter mutmassen, dass die gepanzerten Truppentransporter auch als Kamikaze-Waffen dienen könnten – ferngesteuert, für die Zerstörung befestigter Stellungen. (kes)