Früherer russischer Präsident Medwedew
«Wir müssten eine Atomwaffe einsetzen, wenn die ukrainische Offensive ein Erfolg wäre»

Russlands Feinde hoffen besser auf Erfolge Russlands in der Ukraine, sagt Ex-Präsident Medwedew. Sonst sei Moskau gezwungen, einen globalen nuklearen Flächenbrand zu entfachen. Präsident Putin derweil stellt die Weichen für einen langen Zermürbungskrieg.
Publiziert: 31.07.2023 um 00:55 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2023 um 17:36 Uhr
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Die Fotos von Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) und dessen Amtsvorgänger Dmitri Medwedew werden als Zielscheiben bei einem Darts-Turnier in Odessa im Süden der Ukraine verwendet.
Foto: DUKAS

Er gilt als verbaler Kampfhund der Kreml-Führung: Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew (57) hat schon öfter das Schreckgespenst eines nuklearen Konflikts um die Ukraine beschworen. Am Sonntag mahnte Medwedew, dass Moskau eine Atomwaffe einsetzen müsste, wenn die Gegenoffensive Kiews erfolgreich wäre.

Russland wäre zu so einem Nuklearszenario gezwungen, behauptete der Vizevorsitzende des russischen Sicherheitsrates, dem Präsident Wladimir Putin (70) vorsteht. «Stellen Sie sich vor, wenn die Offensive, die von der Nato unterstützt wird, erfolgreich wäre und sie einen Teil unseres Landes abreissen würde», so Medwedew auf seinen sozialen Kanälen. «Dann wären wir gezwungen, eine Atomwaffe einzusetzen.»

Russland sähe sich dabei nach den Regeln eines Dekrets des russischen Präsidenten genötigt, auf seine eigene Nukleardoktrin zurückzugreifen, so der Kreml-Falke. Der Feind hoffe besser auf einen Sieg Russlands im Krieg: «Es gäbe einfach keine andere Möglichkeit. Unsere Feinde sollten also für den Erfolg unserer Kämpfer beten.», so Medwedew. «Sie sorgen dafür, dass ein globaler nuklearer Brand nicht entfacht wird.»

Heimliche Mobilmachung

Derweil verdichten sich Hinweise, dass sich Präsident Putin auf einen langen Zermürbungskrieg in der Ukraine einstellt. Ein vergangene Woche von der Duma verabschiedetes Mobilisierungsgesetz soll Russlands Kampfkraft maximieren. Das neue Gesetz hebt das Alter für Kriegspflichtige an und ermöglicht es dem Kreml, Hunderttausende von weiteren Männern in den Kampf zu schicken.

Moskau hat die Altersgrenze für die Ableistung des Pflichtdienstes von 27 auf 30 Jahre angehoben – und kann die Altersgrenze in Zukunft weiter anheben. Putin bereitet seine Nation offenbar auf einen noch grösseren, langen Krieg vor. «Diese Gesetzesänderungen sind für einen grossen Krieg und eine allgemeine Mobilisierung geschrieben», kommentierte Andrei Kartapolow, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Duma. «Und der Geruch dieses grossen Krieges ist bereits zu riechen», wird Kartapolow von der «Financial Times» zitiert.

Auf Dauer soll damit auch die westliche Unterstützung für die Ukraine abgewürgt werden, so Alexander Gabuew, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. «Viele in der Ukraine und im Westen wollen glauben, dass der russische Präsident in die Enge getrieben wurde.» Der Sanktionsdruck auf Russland steige. Doch «was den Krieg selbst anbelangt», analysiert Gabuew, «so scheint der Kreml von der ukrainischen Gegenoffensive noch unbeeindruckt zu sein. Selbst wenn Kiew weitere Vorstösse macht, könnte der Kreml diese als vorübergehend abtun.»

Besessenes Moskau

Putin «setzt darauf, dass die potenziell mobilisierbare russische Truppenstärke drei- bis viermal so gross ist wie die der Ukraine, und die einzige dringende Aufgabe besteht darin, diese Ressource nach Belieben anzuzapfen: viel mehr Männer zu mobilisieren, zu bewaffnen, auszubilden und in den Kampf zu schicken. Genau das ist der Zweck des neuen Gesetzes», sagt Gabuew. «Es soll dem Kreml helfen, eine weitere offizielle Mobilisierung zu vermeiden.»

Der Kreml hoffe, dass der rasche Wiederaufbau der russischen Armee – Militärfabriken arbeiten rund um die Uhr – und die allmähliche Dezimierung der ukrainischen Wirtschaft und Streitkräfte zu wachsender Frustration im Westen führe, und zu einem Rückgang der Kriegsunterstützung für Kiew.

Putin habe «viele fatale Fehler gemacht. Aber solange er an der Macht ist, wird Moskau seine immer noch enormen Ressourcen einsetzen, um seine Besessenheit von der Zerstörung und Unterwerfung der Ukraine zu verwirklichen.» Auf Dauer stelle dies die westliche Unterstützung der Ukraine in diesem «hässlichen Krieg» auf die Probe. «Jede langfristige Strategie des Westens», folgert Gabuew, «muss dieser Realität Rechnung tragen.» (kes)

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