Auf einen Blick
- 88-jähriger Japaner nach Todesstrafe freigesprochen
- Hakamada verbrachte fast fünf Jahrzehnte im Todestrakt
- Er wurde 1968 zum Tod verurteilt und 2014 freigelassen
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Verhängung der Todesstrafe gegen ihn ist der Japaner Iwao Hakamada (88) in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden. Das Bezirksgericht im japanischen Shizuoka erklärte den früheren Boxer am Donnerstag für unschuldig. Hakamada gilt als der Häftling, der weltweit am längsten in einer Todeszelle sass.
Hakamada wurde 1968 wegen der Ermordung seines Chefs und dessen Familie zum Tod verurteilt. Der frühere Boxer legte nach wochenlangen Polizeiverhören ein Geständnis ab, widerrief es aber später. Er sagte aus, er sei in den brutalen Verhören zu dem Geständnis gezwungen worden. Zudem gab er an, die Beweise seien gefälscht worden.
«Wir haben so lange einen Kampf geführt»
Dennoch wurde das Todesurteil 1980 vom Obersten Gerichtshof bestätigt. 2014 ordnete dann ein Bezirksgericht überraschend an, dass Hakamada einen neuen Prozess bekommen müsse. Bis zur Wiederaufnahme des Prozesses wurde er freigelassen. Die zumeist in Einzelhaft verbrachten fast fünf Jahrzehnte im Todestrakt haben Hakamada psychisch schwer zugesetzt.
Seine 91-jährige Schwester Hideko, die unermüdlich für ihren Bruder gekämpft hat, sagte Reportern vor der Urteilsverkündung am Donnerstag: «Wir haben so lange einen Kampf geführt, der sich endlos anfühlte. Aber dieses Mal glaube ich, dass er entschieden wird.»
Die Staatsanwälte hatten erneut die Todesstrafe gefordert, doch Rechtsexperten gingen davon aus, dass er freigesprochen würde. Sie verwiesen auf vier weitere Wiederaufnahmeverfahren gegen zum Tode Verurteilte im Nachkriegsjapan, bei denen die Urteile allesamt aufgehoben worden waren.
Beispiel für «Geiseljustizsystem»
Japan ist neben den Vereinigten Staaten die einzige grosse demokratische Industrienation, in der Todesurteile noch vollstreckt werden.
Die Todesstrafe geniesst in der Bevölkerung grosse Zustimmung. Eine Umfrage der japanischen Regierung aus dem Jahr 2019 ergab, dass 80 Prozent der Befragten die Todesstrafe als «unvermeidlich» betrachteten, während nur 9 Prozent ihre Abschaffung befürworteten.
Dennoch gibt es Kritik am japanischen Justizsystem. Hakamadas Fall sei «nur eines von unzähligen Beispielen für Japans sogenanntes Geiseljustizsystem», sagte Teppei Kasai, Asien-Programmbeauftragter von Human Rights Watch. «Verdächtige werden durch lange und willkürliche Haftzeiten zu Geständnissen gezwungen» und es komme häufig zu «Einschüchterungen während der Verhöre».