Freiburg (D) arbeitet die Massenvergewaltigung auf
«Wie viel müssen wir eigentlich im Namen der Toleranz ertragen?»

Die Massenvergewaltigung an einer 18-jährigen Studentin in Freiburg (D) weckt Erinnerungen an Maria L., die 2016 am gleichen Ort vergewaltigt und ermordet wurde. Jeweils waren Flüchtlinge für die Taten verantwortlich.
Publiziert: 04.11.2018 um 12:37 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2018 um 15:50 Uhr
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Polizeipräsident Bernhard Rotzinger spricht während einer Pressekonferenz im Fall der mutmasslichen Gruppenvergewaltigung einer 18-Jährigen zu den Journalisten.
Foto: Keystone
Fabian Vogt

Am Samstag, 13. Oktober, steht eine 18-Jährige vor einem Technolokal im Hans-Bunte-Areal im Freiburger Industriegebiet Nord. Sie freut sich auf eine Party-Nacht mit Tanz und Musik. Der Abend verläuft wie erhofft, die Studentin lernt einen Mann kennen, lässt sich von ihm ein offenes Getränk offerieren und verlässt gegen Mitternacht mit dem 21-Jährigen das Hans-Bunte-Areal. 

So erzählt die Polizei die letzten unbeschwerten Stunden der jungen Frau, bevor diese Opfer einer Massenvergewaltigung wurde, die auch drei Wochen später die Gemüter in Deutschland in Wallung versetzt. Der Mann habe sie vergewaltigt, schildert die Frau den Ermittlern zufolge das folgende Horror-Szenario, wie der «Spiegel» berichtet. Durch eine unbekannte Substanz in ihrem Getränk sei sie wehrlos gewesen. Nachdem der 21-jährige Syrer von ihr abgelassen habe, sollen sich noch weitere Männer an ihr vergangen haben. Derzeit sitzen acht Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Aufgrund von weiteren DNA-Spuren an der Kleidung der 18-Jährigen gehen die Ermittler bislang von mindestens zwei weiteren Tatverdächtigen aus.

Freiburg erinnert sich an Maria L. 

Die Geschichte ist aus mehreren Gründen hoch brisant. Einerseits, weil der Hauptverdächtige bereits früher wegen diversen Delikten, unter anderem Körperverletzung und Drogendelikten, aufgefallen war. In seiner Wohnung sollen sich zudem im Jahr 2017 mehrere Männer an einer damals 20-Jährigen vergangenen haben. Schon vor der mutmasslichen Vergewaltigung vor drei Wochen lag gegen ihn ein Haftbefehl vor, doch konnte die Polizei offenbar seinen Aufenthaltsort nicht ausfindig machen. Wie er stammen auch sechs der sieben weiteren Tatverdächtigen aus Syrien (dazu ein Deutscher), die in Flüchtlingsunterkünften in und um Freiburg leben.

Das entfacht die Debatte um den Abschiebestopp für Syrien neu. Weil in dem Land Krieg herrscht, darf Deutschland aktuell niemanden dorthin abschieben.

Die Einwohner Freiburgs fühlen sich seit Wochen in den Oktober 2016 zurückversetzt. Damals überfiel der Flüchtling Hussein K. die Studentin Maria L., vergewaltigte und tötete sie. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch das Misstrauen gegenüber Flüchtlingen hat sich seither in den Köpfen vieler Breisgauer festgesetzt, auch wenn die Behörden mit verschiedenen Massnahmen, etwa dem Beleuchten dunkler Strassen, versuchen, den Leuten Sicherheit zu vermitteln.

«Wie viel müssen wir im Namen der Toleranz ertragen?

Mit dem jüngsten Übergriff nimmt die Kritik an der grossen Zuwanderung weiter zu. Im «Spiegel» wird etwa Katrin Simon zitiert, Islamwissenschaftlerin an der Universität Freiburg und Mitglied der Grünen, also auf keinen Fall der rechten Ecke zuzuordnen.

Sie sagt, dass sich 2015 die Bewohner noch über die Neuankömmlinge freuten. Auf 3000 Flüchtlinge seien rund 2000 Ehrenamtliche gekommen, die den Flüchtlingen eine einfache Integration ermöglichen wollten. Doch schnell hätte sich Ernüchterung eingestellt. Nach einiger Zeit hätten die Helfer festgestellt, dass nicht nur Gebildete aus den Kriegsgebieten flohen. Unter den Flüchtlingen seien auch viele traumatisierte, junge Männer gewesen, sagt Simon dem «Spiegel». «Auf einmal haderten die ersten Menschen damit, weil sie merkten, dass sich etwas veränderte - und sie sich die Frage stellten: Wie viel müssen wir eigentlich im Namen der Toleranz ertragen?»

«Macht euch nicht wehrlos»

Bernhard Rotzinger, Polizeipräsident der Stadt Freiburg, beobachtet seit 2016 eine höhere Anzahl angezeigter sexueller Übergriffe. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an diesen Delikten sei dabei höher als ihr Anteil an der deutschen Bevölkerung, ähnlich wie auch bei Gewalttaten, sagt er im «Spiegel».

Diese Statistik nur an den Flüchtlingen festzumachen, wäre allerdings falsch. Gründe für die erhöhte Zahl der sexuellen Übergriffe seien auch das vor zwei Jahren verschärfte Sexualstrafrecht und ein grösseres Bewusstsein, sagt Rotzinger. Mehr Taten fallen unter das Gesetz, mehr Menschen erstatten Anzeige.

Rotzinger will der Bevölkerung klarmachen, dass in einer offenen Gesellschaft nicht jedes Delikt zu verhindern sei. Einen Ratschlag habe er aber: «Macht euch nicht wehrlos mit Alkohol oder Drogen.»

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