Die Bilder aus den überfluteten Regionen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in Deutschland rauben einem fast den Atem: Das Wasser hat ganze Dörfer verschluckt – und mit ihnen auch seine Bewohner. Die Zahl der Toten beläuft sich mittlerweile auf über 150, zudem werden noch Hunderte Menschen vermisst – nicht auszumalen, wie es ihren Angehörigen in diesen bangen Momenten gehen mag.
Doch gerade in solchen Krisensituationen versuchen Politiker, sich zu profilieren. Als während des Wahlkampfs im Jahr 2002 die Elbe Sachsen überschwemmte, inszenierte sich der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder sofort in Gummistiefeln als der grosse Retter – während sein Konkurrent Edmund Stoiber (CSU) die Füsse hochlagerte. Sein Engagement dürfte dem Sozialdemokraten den Weg zum Wahlsieg tatsächlich geebnet haben, glaubt heutzutage sogar sein Herausforderer Stoiber.
Die Kandidaten und ihr Krisenmanagement
Nicht verwunderlich daher, dass aktuell alle Augen auf die potenziellen Nachfolger von Angela Merkel (67) gerichtet sind. Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU/CSU) und Olaf Scholz (SPD) sind im Rennen um das Kanzleramt. Drei Kandidaten – drei Strategien.
Armin Laschet (60), der Ministerpräsident vom stark betroffenen Bundesland Nordrhein-Westfalen, ist in den vergangenen Tagen wohl am meisten aufgefallen, jedoch negativ. Erst brach er seine Wahlkampftour ab und reiste umgehend in die verwüsteten Gebiete. Dort bedankte er sich bei den Einsatzkräften und sprach Betroffenen Mut zu. Doch dann patzte der Parteivorsitzende ordentlich. Als er bei einer Beileidsbekundung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (65) am Samstag im Hintergrund vergnügt lachend zu sehen war, erntete er einen Shitstorm. Kurz darauf entschuldigte sich der Kandidat der Union jedoch auch schon für den Vorfall.
Auch Konkurrent Olaf Scholz (63) reiste ins Krisengebiet. Der Bundesfinanzminister versuchte mit grossen Versprechungen zu glänzen: Er will den Unwetteropfern eine Soforthilfe von über 300 Millionen Euro zur Verfügung stellen – möglichst unbürokratisch. Zudem plant er beispielsweise, dem Bundeskabinett ein milliardenschweres Aufbauprogramm vorzulegen. Auch Steuererleichterungen soll es geben. Begleitet von Reportern watete der 63-Jährige durch den Sumpf und liess sich mit ernster Miene fotografieren.
Klima-Politikerin posiert nicht in Gummistiefeln
Ganz anders Annalena Baerbock (40). Anders als man es von ihr aufgrund ihrer politischen Gesinnung eigentlich erwarten könnte, hält sich die Grüne bei dieser Klimakatastrophe sehr zurück. Sie gibt keine Interviews vor zerstörten Häusern, will beim Besuch im Krisengebiet nicht von der Presse begleitet werden. Die Devise: Zuerst Mitgefühl zeigen, politisiert wird später. Und genau mit dieser zurückhaltenden Strategie lenkt Baerbock das Interesse trotzdem auf sich – Kalkül?
Ob auch fast 20 Jahre später die Taktik von Schröder noch der Schlüssel zum Kanzleramt ist oder ob Annalena Baerbock mit ihrer defensiven Strategie richtig liegt, wird sich bei den Wahlen am 26. September zeigen.