Auf einen Blick
- Flugschreiber und Cockpit-Stimmrekorder nach Flugzeugkollision in Washington gefunden
- Kontrollturm am Reagan-Flughafen war zum Unglückszeitpunkt unterbesetzt
- Bei Skyguide setzt man auf Rotation
Der Flugschreiber und der Cockpit-Stimmrekorder des Flugzeugs, das am Mittwochabend über Washington mit einem Militärhelikopter kollidierte, wurden am Donnerstag gefunden. Diese werden jetzt in den Laboren der US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB analysiert, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Währenddessen wird im Potomac-Fluss weiter nach Leichen gesucht. In dem aus Wichita im Bundesstaat Kansas kommenden Flugzeug hatten sich 64 Menschen befunden, im Helikopter sassen drei Soldaten.
Nach ersten Erkenntnissen der Flugaufsichtsbehörde FAA war der Kontrollturm am Reagan-Flughafen zum Zeitpunkt des Unglücks unterbesetzt, wie die «New York Times» schreibt. Die Besetzung sei «nicht normal für die Tageszeit und das Volumen des Verkehrs» gewesen, zitierte die Zeitung einen FAA-Bericht.
Ein Dienstleiter plus drei Lotsen
Der Fluglotse, der die Helikopter im Umfeld des Flughafens geleitet habe, habe auch die landenden und startenden Flugzeuge instruiert, hiess es demnach in dem Bericht. «Diese Jobs werden typischerweise zwei Lotsen zugewiesen und nicht einem.» Dies erhöht die Arbeitsbelastung. Ein Grund dafür ist, dass die Fluglotsen für die Kommunikation mit Flugzeug- und Helikopterpiloten unterschiedliche Funkfrequenzen verwenden können. Während der Fluglotse mit den Piloten des Helikopters und des Flugzeugs kommuniziere, können sich die Piloten gegenseitig nicht hören.
Wäre eine entsprechende Besetzung auch bei uns denkbar? Skyguide gibt Einblick in die Abläufe im Tower in Zürich Kloten: «Es arbeiten jeweils ein Dienstleiter und drei Flugverkehrsleiter im Tower, an verschiedenen Arbeitsplätzen und mit unterschiedlichen Aufgaben», sagt Mediensprecher Vladimir Barrosa zu Blick. «Während den Spitzenzeiten zwischen 10 und 14 Uhr ist ein zusätzlicher Lotse im Einsatz. Dann übernimmt einer die Landungen und ein zweiter die Starts. Ausserhalb dieser Spitzenzeiten macht ein Lotse beides, da das Verkehrsaufkommen auch geringer ist.»
Ab 40 muss man jährlich zum Arzt
Eine Schicht dauert 7 Stunden und 50 Minuten und wird von mehreren Pausen unterbrochen. «Um die Konzentration aufrechtzuerhalten, wird während der Schicht der Arbeitsplatz mehrmals getauscht, damit man nicht dauernd das Gleiche macht», erklärt Barrosa. Der Job als Fluglotse erfordere zudem viele Fähigkeiten, vom logischen Denken über räumliches Vorstellungsvermögen und Teamfähigkeit bis hin zu einem enormen Verantwortungsbewusstsein.
Um die Gesundheit und Fitness der Fluglotsen in diesem anspruchsvollen Beruf zu jedem Zeitpunkt gewährleisten zu können, müssen alle nach einer drei- bis vierjährigen Ausbildung bis zu ihrem 40. Geburtstag alle zwei Jahre zum Medizincheck, danach sogar jährlich.
Notorisch unterbesetzt
Anders als bei Skyguide war der Fluglotse in Washington zum Unglückszeitpunkt also auf sich allein gestellt und gleich mit drei Aufgaben gleichzeitig beschäftigt: mit Starts, Landungen und dem Helikopter. Das Problem scheint nicht neu zu sein. Wie die meisten Flugsicherungseinrichtungen des Landes ist auch der Tower am Reagan-Flughafen seit Jahren unterbesetzt, berichtet die «New York Times». Laut dem neusten Bericht an den Kongress, der jährlich erscheint und die Soll- und Ist-Besetzung enthält, lag der Tower dort mit 19 voll zertifizierten Fluglotsen im September 2023 fast ein Drittel unter dem angestrebten Personalbestand. Die von der FAA und der Fluglotsengewerkschaft festgelegten Ziele sehen 30 vor.
Die Suche nach Antworten auf die Frage, wieso es zum tragischen Zusammenstoss über Washington kam und die Aufarbeitung der Ereignisse, wird für die US-Behörden irgendwann abgeschlossen sein. Die Angehörigen hingegen müssen mit dem Schmerz leben.