Die Razzia in Sankt Petersburg war eine kleine Genugtuung, nach der gigantischen Demütigung vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Während Jewgeni Prigoschin (62) mit seinem Privatheer erst die Millionenstadt Rostow am Don besetzt und dann weiter in Richtung Moskau marschiert, dringen russische Polizeieinheiten in die Geschäfts- und Privaträume des ehemaligen Putin-Kochs ein.
Sie durchsuchen den Firmensitz der Gesellschaft Konkord, das Medienkonsortium Patriot, das Hotel Trezzini sowie einige Restaurants und die Luxus-Datscha in der Nobel-Anlage «Das Versailles des Nordens». Alles gehört Jewgeni Prigoschin.
Sieben falsche Pässe für die Flucht ins Ausland
Vor laufender Kamera wird die Beute vorgeführt: Ein Lieferwagen, bis unters Dach gefüllt mit Schachteln. Darin gestapelt sind Geldscheine im Wert von vier Milliarden Rubel, umgerechnet ca. 40 Millionen Franken. Fünf Kilo Goldbarren werden sichergestellt und fünf ziegelgrosse Blöcke mit einem weissen Pulver. Zudem finden die Beamten sieben falsche Pässe fürs Ausland. Manche mit Prigoschins Porträtbild unter falschen Namen, andere mit Prigoschins Namen, aber falschen Fotos.
Zu Prigoschins Schatz gehören auch zahlreiche Waffen verschiedenen Kalibers. Noch am Abend laufen die Bilder der Razzia über sämtliche Online-Kanäle. Doch dann geht alles sehr schnell. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (68) überredet Putins Koch, den Aufstand abzubrechen und die Wagner-Söldner zurück in ihre Stützpunkte zu schicken. Im Gegenzug wird die Klage gegen Prigoschin fallen gelassen und er erhält ein sicheres Exil in Belarus. Auch seinen Männern wird Straffreiheit garantiert.
Prigoschin ist gefährlich, weil er zu viel weiss
Kaum ziehen die Truppen ab, verschwinden auch die Aufnahmen von Prigoschins Schatz aus dem Netz. Vielleicht musste die Polizei der Stadt ihre Beute wieder rausrücken. Denn, so erklärt Prigoschin über Telegram, das Geld sei für den Lohn seiner Söldner, der immer in bar ausgezahlt würde. Aber wie kommt der gastronomische Unternehmer an derart viel schwarzes Geld?
Sind die finsteren Kanäle seines Vermögens vielleicht auch ein Grund, warum Prigoschin nach einem angekündigten Militärputsch straffrei ausgeht? Die italienische Zeitung «La Stampa» jedenfalls will das nicht vom Tisch wischen. Der Oligarch verfüge möglicherweise über genügend Beweise, die politische Grössen im Machtzirkel des Kremls oder sogar den Kreml-Chef persönlich stark belasten könnten. Und ein Skandal um schmutzige Geschäfte kann sich Moskau, gerade zu diesem Zeitpunkt, so gar nicht leisten.