Mit Spannung wurde er erwartet, jetzt ist er da: der Zwölf-Punkte-Plan Pekings für den Frieden in der Ukraine. Die USA und Kiew begrüssen die Initiative, sogar ein Treffen mit China wurde von Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski (45) vorgeschlagen.
Der russische Aussenpolitiker Leonid Sluzki (55) bezeichnete am Freitag den Plan als «ausgewogen», weil er die Sicherheitsinteressen aller beteiligten Seiten berücksichtige. «Wir sind auf Frieden eingestellt, aber nicht auf Kosten der Sicherheit und Souveränität Russlands», schrieb der Vorsitzende des Aussenausschusses im russischen Parlament in seinem Blog beim Netzwerk Telegram. Währenddessen zweifeln unter anderen der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (64) und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) an Chinas Absichten.
Simona Grano, China-Expertin von der Universität Zürich, ist ebenfalls skeptisch. «Chinas Plan bringt keine konkreten Änderungen oder Lösungen, sondern wiederholt nur, was beide Seiten fordern», sagt sie zu Blick. Und dies mache die Empfehlungen unglaubwürdig. Dafür müsste China gegenüber Russland klar Stellung beziehen sowie den Krieg und die Gräueltaten verurteilen.
China hat erkannt, dass es seine Taktik ändern muss
Auch der Zeitpunkt des Friedensplans lässt an der Ernsthaftigkeit zweifeln. Einen Tag zuvor hatte sich China bei einer Resolution der Vereinten Nationen enthalten, während 141 Staaten den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine forderten. «Daher ist China als Vermittler weder glaubwürdig noch unparteiisch», so die Expertin weiter.
Was möchte China mit diesem Plan denn bezwecken, wenn es nicht um eine wahrhaftige Lösung in der Ukraine geht? Grano zu Blick: «Der einzige Grund, warum wir jetzt eine völlige Kehrtwende erleben, ist, dass China nach drei Jahren wirtschaftlicher und diplomatischer Fehlplanung seitens der Partei erkannt hat, dass man seine Taktik ändern und weniger kriegerisch vorgehen muss.» Die Fühler werden wieder in Richtung Westen ausgestreckt.
Wird China Kamikaze-Drohnen an Russland liefern?
Dabei geht es offenbar nur um das Image, nicht aber um das Handeln. Denn China soll laut Informationen vom «Spiegel» mit Russland gerade über eine Lieferung von Kamikaze-Drohnen verhandeln. Konkret geht es um 100 Drohnen des Prototyps ZT-180, die von der chinesischen Firma Bingo hergestellt und im April geliefert werden sollen.
Und nicht nur das: Bingo soll Russland auch dabei helfen, die Drohnenproduktion im eigenen Land zu ermöglichen. Mit dem Ziel: 100 Drohnen pro Monat. Es wäre der erste offizielle Rüstungsliefervertrag zwischen Russland und China, der seit dem Krieg abgeschlossen wurde. Das chinesische Aussenministerium dementiert zwar, doch eine mögliche Drohnen-Unterstützung kratzt an der Glaubwürdigkeit der chinesischen Friedensabsichten.
«Es ist eine schwierige Gratwanderung»
Doch auch wenn der Vertrag von der Regierung abgeschlossen wurde: «China kann immer behaupten, dass es die Entscheidung eines einzelnen Unternehmens war und dass die Partei den Deal verhindern wird», erklärt Grano.
«Aber im Allgemeinen sollten uns angesichts der Tatsache, dass China versucht, seinen schwierigen Balanceakt fortzusetzen, solche widersprüchlichen Positionen nicht überraschen.»
Denn wenn man sich mit allen gut verstehen möchte, sei manchmal ein Spagat nötig. «Es ist eine schwierige Gratwanderung, die China in den letzten zwölf Monaten vollzogen hat, indem es versuchte, seine wirtschaftlichen Interessen nicht weiter zu gefährden, ohne sich von seinem ideologischen Verbündeten Russland zu distanzieren.» Grano warnt: «Die europäischen Staaten sollten besser aufpassen, was China angeht.»