Chinas oberster Aussenpolitiker Wang Yi (69) hat am Samstag an der Münchner Sicherheitskonferenz einen Friedensplan Pekings für die Ukraine angekündigt. Vor seiner Reise nächste Woche nach Moskau umriss der frühere Aussenminister vage eine Friedensinitiative Chinas. Diese soll Ende Februar im Detail vorliegen.
Dabei nahm der Chefdiplomat Pekings das Wort Krieg nie in den Mund. Stattdessen sprach er von der «Ukraine-Frage» oder einem «Konflikt» – und folgt damit ganz der Linie des russischen Kriegspräsidenten Wladimir Putin (70), dessen Regime den Gebrauch des Wortes Krieg unter Strafe stellt.
China könnte mit seinen «Friedensbemühungen» ein doppelzüngiges Spiel treiben. Nach aussen gibt sich die Supermacht als Friedensvermittler. Dabei gibt es Anzeichen, dass Chinas Unterstützung für Russland auch über gewöhnlichen Handel hinaus wächst. Beim Treffen am Samstag in München zwischen US-Aussenminister Antony Blinken (60) und seinem chinesischen Aussenamtskollegen Wang erwähnte Washingtons Topdiplomat offenbar «beunruhigende» Tendenzen: Es gebe Hinweise darauf, dass Peking den Russen auch Kriegsmaterial liefern will, ohne dabei erwischt zu werden. Dies sagten mit dem Treffen vertraute US-Offizielle gegenüber CNN.
Moskaus und Pekings «Freundschaft ohne Grenzen»
Der Vorwurf Blinkens: Peking will einen Friedensplan vorstellen und seine Beziehungen zu Europa pflegen, während es gleichzeitig stillschweigend Russlands Kriegsaggressionen unterstützt und Militärhilfe erwäge.
Wie das «Wall Street Journal» berichtet, setzen die russischen Streitkräfte auch weiter kommerzielle chinesische Drohnen ein. «Das Pentagon befürchtet», so die Zeitung, «dass diese Drohnen nicht nur Russlands Kriegsanstrengungen vorantreiben, sondern auch China die Möglichkeit geben, wichtige Informationen über das Schlachtfeld zu sammeln, die Pekings Kriegsbereitschaft erhöhen könnten.»
Die nach München gereiste US-Vizepräsidentin Kamala Harris (58) warnte die Chinesen schon in ihrer Rede am Samstag direkt: «Wir sind beunruhigt, dass Peking seine Beziehungen zu Moskau seit Beginn des Krieges vertieft hat», so Harris. «Mit Blick auf die Zukunft würde jeder Schritt Chinas, Russland tödlich zu unterstützen, die Aggression nur belohnen, das Töten fortsetzen und eine auf Regeln basierende Ordnung weiter untergraben.»
EU-Zweifel an Pekings Worten
Die US-Regierung hat im Januar von Beweisen gesprochen, dass chinesische Unternehmen nicht-tödliche Ausrüstung wie Schutzhelme und -westen an Russland für den Einsatz in der Ukraine verkauft haben. Direkte militärische Hilfe gewähren die Chinesen den Russen nicht, trotz Drängen Moskaus. Doch unmittelbar vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine hatten Moskau und Peking eine «Freundschaft ohne Grenzen» erklärt. Chinas Handel mit Russland erreichte 2022 ein Rekordvolumen von 190 Milliarden Dollar. Die Chinesen profitieren von EU-Sanktionen gegen Moskau, in deren Sog «Lieferungen chinesischer Waren nach Russland sechs Monate in Folge zugenommen haben», berichtet Reuters.
Nie florierte der Warenaustausch zwischen China und Russland besser. Den von der Ukraine-Krise profitierenden Chinesen misstraut offenbar auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64). Auf die Frage von CNN in München, ob sie dem chinesischen Aussenminister Wang glaube, dass China auf die Botschaft Europas höre, Russland nicht zu unterstützen, sagte sie: «Das Gegenteil».
«Wir haben gesehen, dass China und Russland eine unbegrenzte Partnerschaft unterzeichnet haben», so von der Leyen. «Ich denke, wir brauchen mehr Beweise und mehr Taten, um zu sehen, dass China Russland nicht unterstützt. Bis jetzt sehen wir das Gegenteil.»
«Unruhestifter» Nato
Die Chinesen geben sich unbeeindruckt und gehen nicht auf die Kritik ein. Auf der politischen Weltbühne versuchen sie die Weichen zu stellen, um sich als Friedensbringer in der Ukraine zu profilieren. Schon am Freitag hatte China Russland und die Ukraine aufgefordert, den Konflikt so schnell wie möglich beizulegen. Zhang Jun (62), der ständige Vertreter des Landes bei den Vereinten Nationen, sagte im Uno-Sicherheitsrat, Russland solle das Feuer einstellen und sich «so bald wie möglich» an den Verhandlungstisch mit der Ukraine setzen.
Dabei kritisierte Zhang im Namen Pekings auch die Nato scharf – und verspielte damit wohl gleich jede Glaubwürdigkeit Chinas, neutral vermitteln zu können: «Wir fordern die Nato auf, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen und die überholte Mentalität des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation aufzugeben», so Zhang. Die Nato schaffe «imaginäre Feinde und destabilisiert Europa». Das westliche Militärbündnis «sollte einen positiven Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Welt leisten, anstatt nur ein Unruhestifter zu sein».