Der russische Präsident Wladimir Putin (70) schaltet und waltet, wie er will. Das ist spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine kein Geheimnis.
Selbst als es seinen Truppen bereits mächtig an den Kragen ging, bestand Putin darauf, dass sich seine Streitkräfte nicht zurückziehen. Durch solche Befehle ist in der Vergangenheit immer wieder der Eindruck entstanden, dass der Kreml-Machthaber nur ein begrenztes Verständnis für die Realität auf dem Schlachtfeld hat. Doch damit nicht genug: Wie das «Wall Street Journal» jetzt berichtet, sollen Experten aus Russland, den USA und der Ukraine gar behaupten, dass Putins Berater ihrem Chef veraltete Informationen zum Ukraine-Krieg zukommen lassen.
Erfolge hervorheben, Niederlagen herunterspielen
Kurz: Putin wisse gar nicht richtig, was auf dem Schlachtfeld abgehe. Dies erklärt möglicherweise auch, weshalb der Machthaber nach wie vor an Russlands Sieg im Ukraine-Krieg glaubt, wie er am Mittwoch verkündete.
Der Zeitung zufolge haben Interviews mit Experten gezeigt, dass der Staatschef nur beschränkt über die Geschehnisse an der Front informiert werde. Der Bericht stützt sich dabei unter anderem auf Gespräche mit amtierenden oder ehemaligen russischen Beamten sowie kremlnahen Personen. Sie alle bezeichnen ihn als «isoliert» und «misstrauischen» Führer.
22 Jahre lang habe er ein System aufgebaut, das ihm stets schmeichelt und ihn und seinen Führungsstil nie kritisiert. Er habe Berater um sich geschart, die Niederlagen herunterspielen und Erfolge stets hervorheben. Demnach sollen entmutigende Daten komplett zurückgehalten oder beschönigt werden.
Kreml widerspricht Behauptungen
Dennoch wolle Putin stets über die Lage an der Front im Bild sein – sein tägliches morgendliches Briefing um 7 Uhr soll ihm das ermöglichen. Nach Angaben der Zeitung soll dieses aber teils veraltete Informationen enthalten. Gewisse Nachrichten der Front würde den Kreml-Machthaber erst Tage später erreichen.
Doch wovor fürchtet sich Putins Entourage? «Die Menschen in Putins Umfeld schützen sich selbst», sagt Ekaterina Winokurowa, ein ehemaliges Mitglied von Putins Menschenrechtsrat. Winokurowa zufolge sind Putins Berater überzeugt, dass sie den Präsidenten nicht verärgern dürfen.
Der Kreml weist die Behauptungen der Experten von sich. «Der Präsident hat, wie schon früher, mehrere Kanäle, um Informationen zu erhalten», lässt sich die russische Regierung zitieren. (dzc)