Experte zu «Salamitaktik» bei den Friedensverhandlungen
«Trump hat eigentlich nur eine einzige starke Karte»

Die Ukraine-Verhandlungen werden immer mehr zum Machtpoker zwischen Trump und Putin. Ein wirklicher Frieden liegt noch in weiter Ferne. Was vom nächsten Verhandlungstreffen am kommenden Sonntag in Saudi-Arabien zu erwarten ist, verrät Experte Klemens Fischer.
Publiziert: 13:12 Uhr
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Aktualisiert: 15:14 Uhr
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«Sie haben im Moment nicht die Karten in der Hand. Mit uns werden Sie Karten in der Hand haben», rief US-Präsident Donald Trump dem ukrainischen Präsidenten Selenski im Oval Office entgegen.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Darum gehts

  • Trump und Putin verhandeln über Waffenstillstand, während der Krieg in der Ukraine weitertobt
  • Experte sieht «Salamitaktik» bei Verhandlungen
  • Ohne US-Unterstützung könnte Ukraine Frontlinie im Osten und Süden nicht halten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Nach dem Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump (78) und Kremlchef Wladimir Putin (72) ist ein Ende des Krieges in der Ukraine noch immer in weiter Ferne. Trump konnte dem russischen Präsidenten nur einen sofortigen Waffenstillstand in allen Energie- und Infrastrukturbereichen abringen. Andere zivile Ziele werden also weiter beschossen. Auch an der Front geht das Sterben weiter.

Am Sonntag sollen nach Angaben des US-Sondergesandten Steve Witkoff (68) in Saudi-Arabien weitere Verhandlungen stattfinden. Doch wie ernst meint es Putin überhaupt mit der Waffenruhe? Klemens Fischer, Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität in Köln (D), gibt einen Einblick in den Machtpoker.

Ein abgekartetes Spiel im Machtpoker

Vorweg verdeutlicht Fischer erst einmal, worum es den beiden Staatschefs Putin und Trump eigentlich geht: «Die Verhandlungen zwischen Washington und Moskau werden Schritt für Schritt Tempo aufnehmen, um die Dramatik zu erhöhen, die dann auf dem ‹alles entscheidenden Treffen› zwischen Trump und Putin ihren Höhepunkt erfährt.» Diese «Pingpong-Diplomatie und Salamitaktik» ist somit ein abgekartetes Spiel auf dem Rücken der Ukraine.

Beim Eklat im Weissen Haus Ende Februar blaffte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) an: «Sie haben im Moment nicht die Karten in der Hand. Mit uns werden Sie Karten in der Hand haben.» Doch über welche Karten verfügt Trump gegen Putin?

Trump setzt auf ein besonderes Lockmittel für Putin

«Trump hat eigentlich nur eine einzige starke Karte, die er jedoch nur als allerletztes Mittel einsetzen kann: die uneingeschränkte Unterstützung der Ukraine. Diese Karte muss er dann ziehen, wenn sich Putin verweigert und es keinen Deal zwischen den USA und Russland gibt», analysiert Experte Fischer. «Damit würde Trump aber auch zugleich das Scheitern seiner Ankündigung eingestehen, dass nur er den Frieden bringen kann.» Aus einer starken Karte kann so ganz schnell auch eine schwache werden.

Gleichzeitig könnte Trump aber auch über das Lockmittel eines Wegfalls von Sanktionen Druck auf den russischen Präsidenten ausüben. «Dieser Trumpf ist milliardenschwer, da es Russland ermöglichen würde, wieder auf die Märkte zurückzukehren», erläutert Fischer. Die Sanktionen der restlichen westlichen Staaten würden in diesem Fall massiv an Wirkung verlieren.

Waffenruhe im Schwarzen Meer «denkbar»

Wie ernst es Russland mit dem Stopp des Beschusses von Energieinfrastruktur meint, bleibt abzuwarten. Nur wenige Stunden nach dem Telefonat zwischen Putin und Trump am Dienstag griffen die Russen zivile Infrastruktur in der Ukraine an. Verstösse könnten laut Fischer gegenüber den USA als Versehen oder als legitim bezeichnet werden – mit der Ausrede, die Ukraine nutze die beschossenen Objekte nicht für zivile, sondern militärische Zwecke. Der Geopolitik-Experte rechnet dann mit einer russlandfreundlichen Reaktion Trumps.

Reporterin trifft Trump mit Mikrofon im Gesicht
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Seine Reaktion überrascht:Reporterin trifft Trump mit Mikrofon im Gesicht

Was kann man sich also vom nächsten Verhandlungstreffen am kommenden Sonntag in Saudi-Arabien versprechen? «Ein endgültiger Durchbruch ist auf keinen Fall zu erwarten», macht Fischer deutlich. «Es wird zu einer weiteren Vereinbarung kommen, die als nächster Schritt hin zu einer Gesamtwaffenruhe verkauft werden kann, ohne aber den weiteren russischen Vormarsch zu Lande einzuschränken. Denkbar wäre eine Waffenruhe im Schwarzen Meer.» Dort hatte die Ukraine seit Beginn des Krieges immer wieder Erfolge verzeichnet – ohne ein einziges eigenes Kriegsschiff eingesetzt zu haben.

Ohne US-Waffen drohen Ukrainer überrannt zu werden

Bis es zu einem umfassenden Waffenstillstand kommt, verhandeln Putin und Trump im Grunde vor allem über die Einstellung der US-amerikanischen Unterstützung für die Ukraine. Ein Ende der US-Unterstützung «würde ausreichen, um die Ukraine derart zu schwächen, dass sie in relativ kurzer Zeit die Frontlinie im Osten und Süden nicht mehr halten kann», glaubt Fischer. Auch Gebietsgewinne in Russland können die Ukrainer dann vergessen.

Und: Dem Experten zufolge wird ersichtlich, «dass die Europäer nicht in der Lage sind, in diese Bresche zu springen». Die europäischen Staaten würden dem Kostendruck des Krieges allein vermutlich nicht standhalten können. Fischer: «Putin wird jedenfalls alle Register ziehen, damit sich die Ukraine nicht regenerieren kann.»

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