Auf einen Blick
- Abnehmspritzen zeigen Wirkung bei übergewichtigen Kindern
- Liraglutid reduziert BMI um 5,8 Prozent
- 82 Kinder aus neun Ländern, darunter die Schweiz, nahmen teil
Sie hemmen den Appetit und lassen die Kilos purzeln: Abnehmspritzen kommen mittlerweile regelmässig zum Einsatz und gelten als probates Mittel gegen starkes Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit). In einer neuen Studie wurden erstmals auch Kinder mit einem entsprechenden Wirkstoff behandelt.
Konkret: Mediziner behandelten 82 übergewichtige Kinder aus neun Ländern, darunter Belgien, Indien, USA und die Schweiz über 56 Wochen. Bei einer durchschnittlichen Grösse von 1,49 Meter wogen sie im Schnitt 70 Kilogramm, wiesen also einen Body-Mass-Index von 31 auf. 56 Kinder erhielten täglich eine Spritze mit dem appetithemmenden Wirkstoff Liraglutid, der von der dänischen Firma «Novo Nordisk» entwickelt wurde. 26 Kinder erhielten ein Placebo-Produkt. Zudem erhielten alle Kinder eine regelmässige Beratung zu gesunder Ernährung und regelmässiger Bewegung, wie es im «New England Journal of Medicine» heisst.
Durchbruch im Kampf gegen Übergewicht?
Die Ergebnisse zeigen: Der durchschnittliche BMI verringerte sich in der Liraglutid-Gruppe tatsächlich um 5,8 Prozent. Zum Vergleich: In der Placebogruppe stieg er um 1,6 Prozent.
Die Studienautoren sprechen von einem grossen Erfolg. Denn: «Es liegt jetzt erstmals eine wirksame Therapie der Adipositas bei Kindern vor, die zu Ergebnissen führt, die deutlich über die herkömmlichen Therapien hinausgehen» erklärt Prof. Dr. Martin Wabitsch, Leiter des Endokrinologischen Forschungslabors am Universitätsklinikum Ulm, die Studienergebnisse gegenüber deutschen Medien.
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Für Kinder mit extremer Adipositas
«Das Medikament kommt zukünftig vor allem für Kinder mit extremer Adipositas infrage und sicher nicht für alle Kinder mit Adipositas», betont Wabitsch. Somit könnte das Medikament vor allem bei einer kleinen Gruppe von Patienten grosse Wirkung entfalten. «Diese Patienten sind durch eine starke biologische Anlage für Adipositas charakterisiert.» Die Regulation von Hunger und Sättigung sei bei diesen Patienten gestört. Liraglutid signalisiere dem Gehirn der betroffenen Personen, das Sättigungsgefühl zu verstärken.
Ein Teil der kleinen Patienten litt während der Studie an Nebenwirkungen. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall wurden am häufigsten genannt. Bei 12,5 Prozent der Liraglutid-Gruppe traten jedoch heftige Reaktionen wie Erbrechen und Darmentzündungen auf.
Das sagt Swissmedic
In der Schweiz ist rund jedes sechste Schulkind übergewichtig oder adipös. Obwohl die Zahlen in den letzten Jahren stabil blieben, zeigt der Trend insgesamt nach oben. Für die Betroffenen geht das starke Übergewicht oftmals mit grossen Herausforderungen einher. Gerade Kinder werden nicht selten ausgegrenzt und wegen ihres Übergewichts gehänselt. Damit verbunden ist eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter an Diabetes oder Krebs zu erkranken oder Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu erleiden. Ob und wann das Medikament jedoch auch in der Schweiz auf den Markt kommt, ist noch unklar.
Auf Anfrage erklärt das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic, dass es Kenntnis von der Studie habe. «Bisher hat Swissmedic vom Hersteller noch kein Gesuch erhalten», erklärt Swissmedic-Mediensprecher Alex Josty. Die Behörde werde nicht von sich aus aktiv. «Wir prüfen, sobald ein Gesuch eingetroffen ist.» Zur Studie selber gibt Swissmedic keine Einschätzung ab.