Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (69) hat ein Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) geführt.
In dem Gespräch am Mittwoch kündigte Chinas Präsident an, einen Sonderbeauftragten nach Kiew und in andere Länder schicken zu wollen, um sich mit allen Parteien über eine politische Lösung auszutauschen. Wie chinesische Staatsmedien berichteten, warnte Xi Jinping im Telefonat auch eindringlich vor einer atomaren Eskalation des Konflikts und mahnte alle Parteien zur Besonnenheit.
«Es gibt keine Gewinner in einem Atomkrieg», sagte Xi Jinping. Im Umgang mit der Atomfrage sollten sich alle Beteiligten ruhig verhalten und Zurückhaltung zeigen, sich auf ihre Zukunft und ihr Schicksal und das der ganzen Menschheit konzentrieren und gemeinsam mit der Krise umgehen. Rationales Denken nehme bei allen Parteien zu, deswegen sollte die Gelegenheit ergriffen werden, um günstige Bedingungen für eine politische Lösung der Krise zu schaffen.
Xi spricht sich für Verhandlungen aus
«Ich hatte ein langes und bedeutsames Telefongespräch mit Präsident Xi Jinping», teilte Selenski anschliessend im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der 45-Jährige hofft, dass dieser Kontakt den bilateralen Beziehungen einen «starken Impuls» verleihen werde.
In dem Telefongespräch bekräftigte Xi Jinping laut Staatsfernsehen, dass der Respekt der Souveränität und territorialen Integrität die politische Grundlage für die Beziehungen zwischen China und der Ukraine sei. Die «komplizierte Entwicklung der Ukraine-Krise» habe starken Einfluss auf die internationale Lage. «China steht immer auf der Seite des Friedens und seine Schlüsselposition ist die Förderung von Frieden und Verhandlungen», sagte Xi Jinping. «China hat die Ukraine-Krise nicht geschaffen und ist darin keine Partei.»
Als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat und verantwortliches grosses Land werde China «weder Feuer von weitem zusehen, noch Öl ins Feuer giessen oder die Möglichkeiten zu seinem Vorteil ausnutzen», sagte Xi Jinping laut Staatsfernsehen in dem Telefonat. China handelt nach seinen Worten «fair und ehrlich». «Dialog und Verhandlungen sind der einzig machbare Ausweg», sagte Chinas Präsident.
Rückendeckung für Putin
Seit Beginn des Konflikts vor mehr als einem Jahr gibt China allerdings dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) Rückendeckung, was Peking viel internationale Kritik einbringt. Während Xi Jinping mehrfach mit Putin gesprochen hat und erst im März in Moskau war, gab es bislang kein einziges persönliches Gespräch mit Selenski. Deswegen war das Telefonat mit Spannung erwartet worden.
Im Februar hatte China ein Zwölf-Punkte-Positionspapier zum Krieg in der Ukraine vorgelegt, das international auf Skepsis gestossen war. Darin rief China zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen auf, schien aber zugleich russische Argumentationen zu übernehmen.
Kritiker werfen China auch vor, in dem Konflikt nicht neutral zu sein, weil es die Invasion bis heute nicht verurteilt hat und unverändert hinter seinem «strategischen Partner» Russland steht. China sieht den Konflikt auch vor allem durch die Brille seiner geopolitischen Rivalität mit den USA und macht gemeinsam mit Russland Front gegen Washington, wie Beobachter hervorheben.
Humanitäre Hilfe in der Ukraine
Chinas Präsident äusserte in dem Telefonat seine Hoffnung, dass alle Parteien eingehend über die Krise nachdenken und zusammenarbeiten, um durch Dialog einen Weg für langfristigen Frieden und Stabilität in Europa zu suchen. «China wird auf der Forderung von Frieden und Verhandlungen bestehen und seine eigenen Anstrengungen unternehmen, den Krieg zu stoppen, die Kampfhandlungen einzustellen und so schnell wie möglich Frieden wiederherzustellen.»
China werde nicht nur seinen Sonderbeauftragten für eurasische Angelegenheiten entsenden, sondern sei auch bereit, weitere humanitäre Hilfe «innerhalb seiner Möglichkeiten» für die Ukraine zu leisten, zitierten Staatsmedien den chinesischen Präsidenten.
Nach chinesischen Angaben hob Selenski hervor, dass China eine grosse Rolle auf der Weltbühne spiele. Er habe «seine Sicht der gegenwärtigen Krise in der Ukraine» vorgestellt und China für die humanitäre Unterstützung gedankt, berichtete das chinesische Staatsfernsehen. Auch habe der ukrainische Präsident die «wichtige Rolle Chinas bei der Wiederherstellung von Frieden und der Lösung der Krise durch diplomatische Mittel begrüsst».
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüsst Austausch zwischen Kiew und Peking
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (64) hat das Telefonat von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski begrüsst. «Es ist wichtig, dass China die ukrainischen Standpunkte besser versteht», sagte der Norweger am Donnerstag am Rande eines Treffens mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel (50) in Brüssel.
Mit Blick auf die Frage, ob er sich von China die Vermittlung von Friedensgesprächen wünsche, wies Stoltenberg darauf hin, dass China den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bis heute nicht verurteilt hat. Zudem betonte er, es sei an der Ukraine zu entscheiden, unter welchen Bedingungen Gespräche möglich sein könnten.
Voraussetzung für sinnvolle Verhandlungen sei, dass die Ukraine dem russischen Präsidenten Wladimir Putin durch militärische Stärke zeige, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen werde, betonte Stoltenberg. Wer wolle, dass sich die Ukraine als souveräne und unabhängige Nation durchsetze, müsse das Land militärisch unterstützen, wie es die Nato-Verbündeten täten.
Moskau zurückhaltend nach Gespräch zwischen Kiew und Peking
Russland hat zurückhaltend auf das Telefonat zwischen Selenski und Xi reagiert. «Wir sind bereit, alles zu begrüssen, was eine Beendigung des Konflikts und das Erreichen aller von Russland gesteckten Ziele näher bringt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow (55) der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Donnerstag. Russland fordert etwa einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt, weil sich die Atommacht dadurch in ihrer Sicherheit bedroht sieht.
Der prominente russische Aussenpolitiker Leonid Sluzki (55) kritisierte nach dem Telefonat Selenskis mit Xi, dass Kiew weiter auf seinen Positionen verharre und eine Feuerpause ablehne. (SDA)