Aussen hui, innen pfui: Dieses Bild zeichnen geleakte Dokumente von der Corona-Situation Anfang des Jahres in China. Während die Welt Fotos von blitzschnell abgeschotteten Städten und eröffneten Notspitälern sah, ging es hinter den Kulissen offenbar chaotisch zu. China soll die Krankheit vertuscht, Infektionszahlen geschönt und Tote verschwiegen haben.
Aus Imagegründen will China nun die gesamte Corona-Geschichte neu schreiben – und nicht länger als Seuchenherd der Welt gelten.
Wie der «Guardian» berichtet, arbeitet China offenbar kräftig am Corona-Märchen. So berichten staatliche Medien «intensiv» über Coronaviren, die auf Verpackungen von importierten Tiefkühlwaren entdeckt wurden, und über angebliche Infektionsfälle, die vor Dezember 2019 ausserhalb des Landes festgestellt worden sein sollen.
Die staatliche Zeitung «People's Daily» behauptete vergangene Woche in einem Facebook-Post, dass «alle verfügbaren Beweise darauf hindeuten, dass das Coronavirus nicht in Wuhan gestartet» ist.
Studie wurde sogar bei «The Lancet» eingereicht
Zitiert wird etwa Zeng Guang, Ex-Chefepidemiologe am Chinese Centre for Disease Control and Prevention: «In Wuhan wurde das Coronavirus zum ersten Mal entdeckt. Das ist aber nicht der Ort, an dem es seinen Ursprung hat.» Ein Sprecher des Aussenministeriums äusserte sich auf Anfrage: Es sei wichtig, zu unterscheiden, wo das Virus zum ersten Mal entdeckt worden sei, und wo es vom Tier auf den Menschen übersprang.
Chinesische Wissenschaftler haben sogar einen Beitrag bei der renommierten Fachzeitschrift «The Lancet» eingereicht, in dem behauptet wird, Wuhan sei nicht der Ort, «an dem die Übertragung von Sars-CoV-2 von Mensch zu Mensch zum ersten Mal stattgefunden hat». Stattdessen deuten die Verfasser an, der erste Fall könnte auf dem indischen Subkontinent aufgetreten sein. «The Lancet» lässt alle Beiträge vor Veröffentlichung wissenschaftlich prüfen – veröffentlicht ist der Artikel der chinesischen Wissenschaftler noch nicht.
WHO-Experte: «Höchst spekulativ»
International widersprechen Experten den Berichten aus China. WHO-Funktionär Michael Ryan, verantwortlich für Gesundheitsnotfälle, bezeichnete die Behauptungen über einen anderen Ursprungsort des Coronavirus zum Beispiel als «höchst spekulativ». Deutliche Worte seitens der Organisation, die sich ansonsten mit Kritik an China zurückhält.
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Der Londoner Virologe Jonathan Stoye wiederum nannte etwa Proben aus einer italienischen Krebsabteilung, die auf Covid-19-Erkrankungen im Herbst 2019 hindeuten, «schwach»: «Die serologischen Daten [aus Italien, Anm. d. Red.] können höchstwahrscheinlich durch kreuzreaktive Antikörper gegen andere Coronaviren erklärt werden.» Im Klartext: Die Antikörper wurden möglicherweise bei Personen ausgelöst, die mit verschiedenen Coronaviren infiziert waren – etwa bei einem harmlosen Schnupfen.
Die WHO hat umfassende Untersuchungen zum Ursprung des Coronavirus angekündigt. Bereits Anfang des Jahres reiste ein WHO-Team nach Wuhan. Die Experten konnten allerdings den mit dem Ausbruch in Verbindung gebrachten Markt nicht besuchen. Die Erstübertragung zu verstehen, gilt als entscheidend, um künftige Pandemien zu verhindern.