Trump wütend wegen China-Lob
Zoff um Geld für die WHO

Trumps Entscheid, der WHO den Geldhahn abzudrehen, trifft das «Gesundheitsministerium der Welt» empfindlich. Der Schuss könnte für den US-Präsidenten nach hinten losgehen.
Publiziert: 18.04.2020 um 23:49 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2020 um 18:53 Uhr
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«Wir werden unsere Beitragszahlungen an die WHO sistieren», sagte Trump am Dienstag.
Foto: AFP
Fabienne KInzelmann und Valentin Rubin

Donald Trumps neuer Lieblingsfeind sitzt in der Schweiz. Mitten in der Corona-Krise dreht der US-Präsident der in Genf ansässigen Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Geldhahn ab. «Wir werden unsere Beitragszahlungen an die WHO sistieren», teilte er am Dienstag mit. «Während wir überprüfen, welche Rolle die WHO bei der schlechten Handhabung und Vertuschung der Ausbreitung des Coronavirus gespielt hat, wird kein Geld mehr fliessen.» Sein Vorwurf: Die WHO habe es «vermasselt», sei zu chinafreundlich.

«Das ist ein Spiel mit dem Feuer», warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus (55). Das Coronavirus für politische Zwecke zu missbrauchen, sei das Schädlichste, was jetzt passieren könne. Trumps Ankündigung trifft seine Organisation empfindlich – die USA sind mit 400 Millionen US-Dollar jährlich der grösste Beitragszahler. Rund ein Viertel davon ist der Pflichtbeitrag, über den Trump verfügen kann. Die Grundfinanzierung sichert neben dem Personal im Hauptquartier in Genf, sechs Regional- und zahlreichen Länderbüros etwa die Erarbeitung von Standards und Richtlinien für die Mitgliedsländer.

Schweiz steht hinter der WHO

Bill Gates (64), grösster privater Geldgeber der WHO, kritisiert Trumps Entscheid: «Es ist so gefährlich, wie es klingt. Die WHO ist wichtiger denn je.» Weltstars wie die Rolling Stones, Elton John (73) und Taylor Swift (30) veranstalteten gestern ein virtuelles Benefizkonzert. Zahlreiche Länder, darunter Deutschland, Finnland und Irland, schiessen frisches Geld nach. «Die WHO muss jetzt gestärkt werden, nicht geschwächt. Inmitten der Pandemie die Mittel zu kürzen, ist der absolut falsche Weg», sagte der deutsche Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (64). Denn: Corona werde nicht die letzte Pandemie sein.

Auch die Schweiz stellt sich hinter das «Gesundheitsministerium der Welt». «Die Schweiz steht mit der WHO seit Anfang der Krise im Kontakt. Sie ist der Organisation für ihr unermüdliches Engagement dankbar», sagt ein Sprecher von Gesundheitsminister Alain Berset zu SonntagsBlick. 2019 zahlte die Eidgenossenschaft insgesamt 17 Millionen Franken an die WHO.

Wollte Trump nur von eigenem Versagen ablenken?

International wird Trumps Entscheid als neue Stufe im Machtkampf mit China und dem Ablenken vom eigenen Versagen angesehen. Doch die WHO muss sich auch Kritik gefallen lassen. Etwa, weil die Organisation die Corona-Krise erst am 11. März als Pandemie einstufte. In vielen Ländern wurden erst dann drastische Massnahmen ergriffen.

Das Dilemma der 1948 gegründeten UN-Behörde: Sie kann keine Sanktionen gegen Mitglieder verhängen und ist gefangen zwischen den Grossmächten und ihren Interessen. Auch darum wird Corona-Vorbild Taiwan – der demokratische Inselstaat, den China als Teil des eigenen Territoriums betrachtet – aussen vorgelassen. Lautes Lob für Peking gibt es auch, weil die Organisation bei der Datenerhebung auf die Mitarbeit des Mitgliedslandes angewiesen ist.

WHO-Kritiker Trump profitiert selbst vom diplomatischen Vorgehen. Sein Gesundheitsminister warnte bereits am 18. Januar in einem Telefonat vor den möglichen Gefahren, doch selbst am 2. März verharmloste der US-Präsident das Coronavirus noch als «Grippe». Erst am 13. März rief er den Nationalen Notstand aus. Lob gab es trotzdem. Der WHO-Direktor pries den lange untätigen US-Präsidenten für seinen «grossartigen Job» in der Corona-Krise.

WHO fehlen ohne USA 14,6 Prozent vom Budget

Der fehlende Handlungsspielraum gegenüber den Mitgliedern zeigt: Die WHO muss reformiert werden. Vielleicht aber reicht es auch schon, wenn die entsprechende Führungspersönlichkeit an der Spitze steht. Vorgemacht hat es die Norwegerin Gro Harlem Brundtland (80), die ihr Mandat als WHO-Generaldirektorin während der Sars-Pandemie 2002/2003 ziemlich weit auslegte. Sie kuschte nicht vor China, sprach Reisewarnungen für betroffene Gebiete aus und bewegte das verschlossene Land zur Zusammenarbeit. Ein Erfolg.

Die Personaldebatte wird sich spätestens nach der Krise stellen. Momentan geht es erst mal um die Frage: Wer füllt die Lücke der USA, die 14,6 Prozent des Gesamtbudgets tragen? Europa – oder gar China? Dann wäre genau das Gegenteil von dem erreicht, was Trump wollte.

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