Boris Johnson (58) kam 1964 als Sohn britischer Eltern in New York zur Welt. Er war das erste von vier Kindern. Schon als kleiner Bub erklärte er, er werde «der König der Welt». Im Juli 2019 schaffte er es immerhin, britischer Premierminister zu werden.
Nach seinem Studium wurde Johnson zunächst Journalist. Er ergatterte einen Job bei der «Times». Dort wurde er nach einem Jahr entlassen – er hatte ein Zitat verfälscht. Bis 1994 arbeitete er als Korrespondent in Brüssel. Später wurde er Mitherausgeber der konservativen Wochenzeitschrift «The Spectator».
Brexit-Wortführer
Internationale Bekanntheit erlangte der Mann mit dem chaotischen Haarschnitt als Bürgermeister der britischen Hauptstadt London zwischen 2008 und 2016. Johnson entwickelte sich bei der Brexit-Diskussion zu einem der zentralen Wortführer der EU-Austrittsbewegung.
Nach der Wahl der von Theresa May (65) zur Premierministerin im Jahr 2016 wurde Johnson zum Aussenminister berufen. 2018 trat er von diesem Amt zurück – aus Unzufriedenheit mit der EU-Politik der Regierung May.
Skandal über Skandal tropften an ihm ab
Als May im Juni 2019 ihren Rücktritt ankündigte, war Johnsons Stunde gekommen. Der Brexit-Hardliner bewarb sich für das Amt des Tory-Vorsitzenden. Johnson gewann die Wahl und wurde von Königin Elisabeth II. (96) zum Premierminister ernannt.
Johnsons Amtszeit war von Beginn weg von Turbulenzen geprägt. Doch Skandal über Skandal schienen am Premierminister abzuperlen wie Wasser an einer Teflon-Pfanne. Dazu gehörten Ungereimtheiten bei der Finanzierung eines Luxusurlaubs in der Karibik und bei der aufwendigen Renovierung seiner Dienstwohnung sowie wiederholte Un- und Halbwahrheiten, die der Premier auftischte.
Lockdown-Partys im Regierungssitz
Eine katastrophale Bilanz beim Umgang mit der Corona-Pandemie durch verspätete Lockdowns konnte Johnson in einen Erfolg ummünzen, als er die erfolgreiche Impfkampagne seines Landes als Errungenschaft des Brexits vermarktete, der das Land flexibler gemacht habe. In Wirklichkeit wurde massenhaft Impfstoff aus der EU importiert, während London dafür sorgte, dass in die andere Richtung so gut wie nichts ging.
Das Glück schien Johnson aber zu verlassen, als im vergangenen Winter nach und nach Einzelheiten über teils exzessive Lockdown-Partys im Regierungssitz Downing Street ans Licht kamen. Johnson, der seine Landsleute in der Pandemie immer wieder mit ernster Miene dazu aufgerufen hatte, zu Hause zu bleiben, und selbst sterbende Angehörige nicht zu besuchen, hatte mit Kollegen am Regierungssitz gefeiert und getrunken, wie sich herausstellte.
Rückschläge für Konservative bei Lokalwahlen
Der Premier hatte jedoch die Chuzpe, sich vors Parlament zu stellen und abzustreiten, was für jeden offensichtlich war. Erst als es nicht mehr anders ging und er von der Polizei einen Strafbefehl erhielt, entschuldigte er sich. Die Unwahrheit will er trotzdem nicht gesagt haben. Er habe schliesslich nicht gewusst, dass es sich um Feiern gehandelt habe.
Zwar verschaffte der Krieg in der Ukraine dem Premier eine kurze Verschnaufpause, doch die Quittung kam bei der Kommunalwahl Anfang Mai. Johnsons Konservative mussten massive Rückschläge einstecken und verloren Hunderte von Sitzen in Lokalparlamenten im Land. Aus dem strahlenden Wahlsieger von 2019 war ein Mühlstein am Hals seiner Partei geworden.
Rücktrittswelle im eigenem Kabinett
Das Fass zum Überlaufen brachten nun wohl der abschliessende Bericht zum Partygate-Skandal sowie womöglich die Buhrufe bei Johnsons Eintreffen an der St.-Pauls-Kathedrale zum Dankgottesdienst während der Feierlichkeiten zum 70. Thronjubiläum der Queen.
In den vergangenen Tagen wurde der Druck aus der eigenen Partei nun offenbar sogar für Johnson zu gross: Mehrere Kabinettsmitglieder und Dutzende parlamentarische Regierungsmitarbeiter traten von ihren Ämtern zurück. Zuletzt forderte ihn sogar der erst am Dienstag ins Amt berufene Finanzminister Nadhim Zahawi (55) zum Rücktritt auf. Wie BBC unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, steht eine Ankündigung des Rücktritts vom Amt des Tory-Chefs kurz bevor. Danach müsste Johnson auch als Premierminister zurücktreten. (noo/SDA)