Anfangs lösten Trumps Aussagen ein mitleidiges Lächeln aus, inzwischen sorgen sie für Besorgnis: Donald Trump greift immer wieder zum verbalen Zweihänder. Grönland, Kanada und der Panamakanal sollen annektiert und Teil der USA werden. Nato-Partner sollen mehr als doppelt so viel Geld wie bisher ins Militär stecken. Und sollten die Hamas-Geiseln bis Amtsantritt nicht befreit sein, werde die «Hölle» im Nahen Osten ausbrechen.
Die Frage ist: Wieso dreht Trump schon vor Amtsantritt dermassen auf? Handelt es sich bloss um politisches Kalkül, oder könnte es Trump sogar ernst meinen?
Zu Trumps Forderungen gehören:
Aneignung von Grönland: «Im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit» erachtet Trump den Besitz der riesigen, rohstoffreichen, zu Dänemark gehörenden Insel als eine «absolute Notwendigkeit». Militärischen Druck schliesst er nicht aus. Zurzeit ist sein Sohn Donald Jr. (47) auf «privatem Besuch» in Grönland. Der grönländische Ministerpräsident Mute B. Egede (37) reagierte empört: «Grönland gehört uns. Wir dürfen unseren langen Freiheitskampf nicht verlieren.»
Kontrolle über den Panamakanal: Wegen der «höchst ungerechten» Durchfahrtgebühren will Trump die Wasserstrasse zurückholen – nötigenfalls mit Gewalt. Der Kanal, eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt, war von den USA gebaut und lange kontrolliert worden, bevor er schrittweise an Panama überging.
Annexion von Kanada: Trump möchte Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen. Er hat auf den sozialen Medien eine Karte veröffentlicht, auf der über ganz Nordamerika die US-Flagge prangt. Hier spricht er nicht von militärischer Gewalt, sondern von «wirtschaftlicher Gewalt» als Druckmittel. Eine Massnahme: die Importzölle um 25 Prozent erhöhen.
5 Prozent für Nato-Beitrag: Trump fordert die Nato-Staaten auf, statt wie bisher 2 neu 5 Prozent des BIP in die Verteidigung zu investieren. Zuvor hatte er gedroht, Staaten, die weniger als 2 Prozent investieren, im Ernstfall nicht zu schützen.
Golf von Amerika: Den Golf von Mexiko will er in «Golf von Amerika» umbenennen. «Ein wunderschöner Klang», findet er.
«Hölle» für Hamas: Falls die Hamas die in Israel gefangen genommenen Geiseln bis zu seiner Amtseinführung nicht freilasse, müsste der Nahe Osten mit der «Hölle» rechnen. Was er damit meint, führte er nicht aus. Ist es ein grosser Krieg in Nahost?
Taktisches Druckmittel
Laut Philipp Adorf (40), USA-Experte an der Uni Bonn, will Trump mit seinen Ankündigungen die historische Machtposition der USA wiederherstellen. «Damit steht er in der Tradition der Präsidenten des 19. Jahrhunderts, welche die Basis für den Weltmachtstatus der Vereinigten Staaten schufen.»
Adorf glaubt nicht, dass Trump seine Gewalt-Drohungen wahr machen werde, vielmehr dienten sie als taktisches Druckmittel für diplomatische Verhandlungen. Adorf: «Es geht Trump weniger um die konkrete Realisierung solcher Pläne, sondern darum, die symbolische Bedeutung der Stärke und Dominanz der Vereinigten Staaten zu betonen, während er Europa als machtlosen Verteidigungsvasallen der USA darstellt.»
«Mehr Science Fiction als reale Absicht»
Hinter den Aussagen Trumps stecke die Botschaft, dass Amerikas globale Macht gestärkt und die Schwäche anderer – wie Europas – ausgenutzt werden. «Er folgt damit den Beispielen von Russland und China, die nach eben diesen Spielregeln agieren», sagt Adorf.
Mit seiner Anspielung auf die Kontrolle über den Panamakanal warne Trump die lateinamerikanischen Regierungen vor einer Kooperation mit China. Denn wenn chinesische Investitionen aus Lateinamerika und der Karibik ferngehalten würden, könnten amerikanische Unternehmen profitieren.
Claudia Brühwiler (42), USA-Expertin an der Uni St. Gallen, beruhigt: «Wir werden solche Aussagen von Trump noch öfters hören. Es wäre an der Zeit, die alten Reflexe abzuschalten und einfach nüchtern abzuwarten, statt den Panikknopf zu drücken.» Dass die USA im 21. Jahrhundert Territorien souveräner Staaten annektieren, sei auch «unter Trump 2.0 mehr Science-Fiction als reale Absicht», sagt Brühwiler.