Eisige Zellen, ein Hocker statt einem Bett und heissgekochtes Wasser auf Ex. Die Bedingungen, unter denen Putin-Gegner Alexei Nawalny (†47) in der russischen Strafkolonie «Polarwolf» leben musste, waren offenbar brutal. Vergangene Woche sorgte der plötzliche Tod des 47-Jährigen weltweit für Entsetzen. Die genauen Umstände sind bislang unklar.
Dafür kommen nun Details über die Zeit im «Polarwolf» ans Licht. «Es war Folterung. Man kann das nur mit schlimmsten stalinistischen Methoden vergleichen», sagt die russische Friedensnobelpreisträgerin und Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, Irina Scherbakowa (75), in der ARD-Sendung «Maischberger».
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Und weiter: «In den drei Jahren befand er sich fast 300 Tage in der Strafbaracke.» Das sei eine ganz enge Zelle mit einem kleinen Fenster. «Entweder ist es dort sehr heiss, weil keine Luft hereinkommt, oder sehr kalt. Der Boden ist nass. Die Wände sind nass.»
«Es ist Folter mit dem Hunger»
Das Straflager IK-3 im bitterkalten Polarkreis gilt als besonders grausam. Nawalnys Verbündeter Iwan Schdanow bezeichnete das Lager, das 1961 auf dem Gelände eines ehemaligen sowjetischen Gulag-Zwangsarbeitslagers gegründet wurde, als «eine der nördlichsten und abgelegensten» Gefangenenkolonien in Russland. Hier können bis 1050 Menschen inhaftiert werden.
Laut Scherbakowa könne man nur auf einem Hocker sitzen, weil um fünf Uhr morgens die Betten hochgeklappt werden. «Die Häftlinge bekommen fast nichts zu essen. Es ist Folter mit dem Hunger.» Nawalny habe nur kochend heisses Wasser bekommen. «Er musste es schnell austrinken.»
Die Nächte im Norden Russlands werden bis zu minus 40 Grad kalt, wie der ehemalige Leiter des ARD-Studios in Moskau Thomas Roth in der Sendung erklärte. «Da kannst du nur noch sterben.»
Leiche für zwei Wochen unter Verschluss
Noch immer ist unklar, wie genau der Putin-Gegner ums Leben kam: Nawalnys Leiche wird nach Angaben seiner Sprecherin für mindestens zwei Wochen einbehalten. «Die Ermittler haben der Mutter von Alexei und den Anwälten gesagt, dass sie seine Leiche nicht übergeben und sie in den nächsten 14 Tagen eine chemische Analyse, eine Untersuchung, vornehmen werden», erklärte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmisch am Montag.
«Ich sage es noch mal: Nawalnys Leiche wird versteckt, um die Spuren des Mordes zu verwischen», schrieb Jarmisch im Onlinedienst X. Diese 14-tägige «chemische Analyse» sei eine völlige Lüge und eine Verhöhnung. Sie rechne damit, dass die Behörden Nawalnys Leiche auch nach Ablauf der 14 Tage nicht herausgeben werden. Aus dem Kreml hiess es am Montag, die Untersuchung von Nawalnys Tod dauere an, es gebe noch keine Ergebnisse.
Nawalnys Frau Julia Nawalnaja sagte am Montag: «Putin hat meinen Mann umgebracht». Sie will nun das Werk ihres Mannes weiterführen und für ein freies Russland kämpfen. 2020 erreichte Nawalnaja, dass ihr Mann nach einem Giftanschlag zur Behandlung nach Berlin gebracht wurde. Der Oppositionspolitiker entschied sich, nach erfolgreicher Behandlung, wieder nach Russland zu reisen. Dort wurde er inhaftiert. (ene/AFP)