Ende Monat schlägt für Julian Assange (50) die Schicksalsstunde: Ein englisches Gericht entscheidet darüber, ob der Wikileaks-Gründer an die USA ausgeliefert wird. Er sitzt im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London, nachdem er 2019 in der ecuadorianischen Botschaft in London verhaftet worden war.
In den USA ist die Wut auf den Australier, der geheime Daten aus den USA veröffentlicht hatte, gross. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump (75) hatte die CIA sogar gebeten, Vorschläge zu machen, wie man ihn entführen und umbringen könnte. Die CIA stand damals unter der Leitung von Mike Pompeo (57), der später Trumps Aussenminister wurde.
Sicherheitsfirma kooperierte
Hinter den Kulissen bat Pompeo seine Mitarbeiter und internationalen Büros um Vorschläge, wie sie zurückschlagen und sich an Wikileaks rächen könnten. «Nichts ist tabu, schränkt euch nicht ein», soll er demnach gesagt haben.
Ein Mitarbeiter der spanischen Sicherheitsfirma, die Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London be- und überwachte, sagte aus, dass sein Chef mit den Amerikanern kooperiert und über Entführungsmöglichkeiten gesprochen habe. Man habe darüber diskutiert, die Tür der Botschaft offen zu lassen, damit ein Spezialkommando Assange holen könnte. Auch einen Giftanschlag habe man thematisiert.
Angst vor Flucht nach Russland
Eine Zeit lang tummelten sich rund um die Botschaft Geheimdienstmitarbeiter aus den USA, Russland und Grossbritannien. Die Amerikaner hatten Angst, dass Assange nach Moskau ausgeflogen werden und den Russen weitere Geheimnisse preisgeben könnte.
Die USA entwarfen für diesen Fall ihre Gegenmassnahmen. Die Pläne reichten von Prügeleien zwischen Spionen über Feuergefechte bis hin zu Autos, die andere rammten, um eine Flucht zu verhindern.
Hätte Assange es an Bord eines Flugzeugs geschafft, wollten US-Amerikaner oder Briten es mit Autos oder einem Helikopter auf der Startbahn stoppen oder seine Reifen zerschiessen. Wäre der Start geglückt, wollten die USA ihre europäischen Verbündeten bitten, ihm die Überflugrechte zu verweigern.
Ihm droht die Todesstrafe
Gegen die brachialen Beseitigungspläne von Trump und Pompeo regte sich bei den Juristen des Nationalen Sicherheitsrats und des Weissen Hauses Widerstand. Man fürchtete sich vor negativen diplomatischen Folgen einer gesetzwidrigen Aktion. Vor allem aber wollte man nicht den Zorn der besten Freunde in Europa, den Briten, auf sich ziehen. Pompeo konnte sich daher schliesslich nicht durchsetzen.
Eigentlich hat ein britisches Gericht eine Auslieferung Assanges bereits abgelehnt. Die Richterin begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde.
Aber die USA haben Berufung eingelegt. So entscheidet Ende Oktober der High Court über Assanges Schicksal. Das Urteil könnte schwere Folgen haben: Assange drohen in den USA wegen Spionage bis zu 175 Jahre Gefängnis und eventuell sogar die Todesstrafe. (gf)