Auf einen Blick
- Emily Vontz, jüngste Parlamentarierin Deutschlands, verlässt den Bundestag nach zwei Jahren
- Vontz setzte sich für Lohntransparenz und gendergerechte Stadtentwicklung ein
- Eines der grössten Probleme der deutschen Politik verschärft sich mit ihrem Abgang zusätzlich
Emily Vontz ist die jüngste Parlamentarierin ganz Deutschlands. Gerade mal 22 Jahre alt war die SPD-Politikerin, als sie im Januar 2023 für den aus dem Parlament zurückgetretenen, ehemaligen Aussenminister Heiko Maas in den Bundestag nachrückte. Jetzt aber verabschiedet sich das politische Wunderkind bereits wieder von der Berliner Bühne – aus einem simplen Grund.
Blick trifft Emily Vontz am Dienstag in einem Gang des Bundestagsgebäudes in der deutschen Hauptstadt. Die Saarländerin aus Losheim am See, einer Gemeinde ganz nah der französischen Grenze, kämmt sich gerade das Haar fürs nächste Video-Interview mit einer Gruppe junger Influencer.
Jungen Menschen Politik so erklären, dass sie sie auch wirklich verstehen: Das war immer eines ihrer zentralen Anliegen. «Ich kann gut nachvollziehen, dass einem das alles rasch zu kompliziert vorkommt», sagt Vontz zu Blick. «Mein Tipp: Seid nicht zu streng mit euch. Lasst es auf euch zukommen. Man lernt jeden Tag etwas dazu.»
11'227.20 Euro im Monat: Vontz schafft Transparenz
Jede und jeder müsse sich fragen: Was ist mir wichtig, was passt zu mir. «Dann muss man nur noch herausfinden, wer sich dafür einsetzt.» Und schon hat man eine Partei, für die man kämpfen kann. Vontz selbst kämpfte in ihren zwei Jahren im Bundestag gegen Lohnungleichheit und für gendergerechte Stadtentwicklung. Nur gerade ein Drittel aller Städteplaner in Deutschland seien Frauen, erklärt Vontz. Deshalb gäbe es immer noch viel zu viele «Angsträume» wie dunkle Gassen oder Parks, in denen sich Frauen nicht sicher fühlten.
Stark machte sie sich auch für grösstmögliche Transparenz. Auf ihrer Homepage legte sie offen, was sie für ihre Parlamentstätigkeit monatlich verdiente: 11'227.20 Euro Grundlohn, dazu 4560.59 Euro Spesen und eine Pauschale für die Beschäftigung ihrer Mitarbeitenden. Dann noch 12'000 Euro Büro-Spesen pro Jahr obendrauf sowie gratis Zug- und Flugtickets in Deutschland. Nicht schlecht!
Auf Instagram und TikTok erklärte sie ihren Zehntausenden Followern in regelmässigen Video- und Grafik-Updates, was in Deutschland und im Bundestag gerade abgeht. «Ich verstehe, wenn jemand keine Lust hat auf das alles», sagt sie zu Blick. «Man muss sich aber immer fragen: Was ist denn die Alternative? Wir wollen ja doch alle nicht in einem System leben, in dem ein einziger über alles bestimmt.»
Deshalb: reinknien, dranbleiben, aufklären. Das machte Vontz zuletzt mit ihrem Video-Format «Hocker & Haltung», in dem sie andere Politiker auf einen Kartonhocker setzte und während 90 Sekunden über alles Mögliche ausquetschte.
Das Männer-Problem
Am 23. Februar beendet Deutschlands jüngste Parlamentarierin ihre nationale Politikkarriere fürs Erste. Schon nach einem Jahr habe sie sich «krass ausgebrannt» gefühlt, verriet sie jüngst in einem Interview mit dem Sender SWR. Auf einen Schlag Chefin von neun Mitarbeitenden in ihrem Parlamentsbüro, lange Arbeitstage voller Sitzungen und Aktenstudien, ständiges Pendeln zwischen Berlin, ihrer Heimat im Saarland und der Uni in Trier: Das zehrt.
Für sie sei das «kein Konzept für die Zukunft», sagt Emily Vontz. Erst einmal will sie jetzt nach ihrem Bachelor in Französisch und Politikwissenschaft einen Master anhängen und sich auf ihre lokalen Ämter etwa als Ortsrätin in ihrer Heimatgemeinde konzentrieren.
Was ist Ihre zentrale Lektion nach zwei Jahren im Deutschen Bundestag? «Wenn jeder ein Prozent mehr gibt als das, was er machen müsste, dann würde das den gesellschaftlichen Zusammenhalt ungemein stärken», sagt Vontz. Dazu müsse man sich nicht gerade ins nationale Parlament wählen lassen: «Sich einsetzen, das geht auch in einem Unternehmen, an der Schule oder im Sportverein.»
Die Gesellschaft sollte sich bemühen, das Politisieren insbesondere für junge Frauen attraktiv zu machen. Politik sei noch immer «sehr männerdominiert». Nur gerade 31 Prozent der Bundestagsabgeordneten in Deutschland sind Frauen (zum Vergleich: Im Schweizer Nationalrat sind es 39 Prozent, im Ständerat 35 Prozent). Mindestens dieses Problem verschärft sich mit ihrem Abgang aus dem höchsten politischen Gremium Deutschlands zusätzlich.